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Am Dienstag trat Tomislav Karamarko als HDZ-Chef zurück.

Foto: REUTERS/Antonio Bronic/File Photo

Der Aufstand in der Partei war zu groß geworden. Am Dienstag trat Tomislav Karamarko als HDZ-Chef zurück. Der Mann, der wegen Korruptionsverdachts gegen ihn, die eigene Partei, die eigene Regierung und das ganze Land in die Krise gestürzt hatte, stellte sich am Ende noch als opferbereit dar. "Ich konnte nicht zulassen, dass die Partei gedemütigt wird", begründete Karamarko das Ende der Koalition mit der Partei Most. Die kroatische Regierung war vergangene Woche gestürzt worden, nachdem Karamarko versucht hatte, seine eigene Absetzung zu verhindern.

Nun könnte der EU-Abgeordnete Andrej Plenković die schwer angeschlagene Partei übernehmen. Er will für den Parteivorsitz kandidieren. Die HDZ steht nach den Aktionen des ehemaligen Vizepremiers Karamarko vor einem Trümmerhaufen. Denn dieser hatte seinem eigenen Präsidium weisgemacht, dass er genügend Parlamentarier für eine neue Regierung hinter sich habe. Dies stellte sich als falsch heraus.

"Operation großer Bluff"

Einer der Parteigründer der HDZ, Vladimir Šeks, spricht von "der Operation großer Bluff". "Karamarko wollte auf jeden Fall vermeiden, dass gegen ihn ein Misstrauensvotum eingeleitet und er schandhaft aus dem Dienst entlassen wird. Also habe dieser sich für "die Rettung des Soldaten Karamarko" entschieden. "Das Wichtigste war für ihn, dem Misstrauensvotum vorzugreifen, indem man die Regierung unter Premier Orešković stürzt", sagt Šeks im Gespräch mit dem STANDARD und zieht folgenden Vergleich: "Es war wie Ende 1944, als die Nazispitze noch immer Hitler unterstützte und er ihnen zusicherte, dass zusätzliche Waffen zum Sieg führen würden", so Šeks weiter.

"Auf diese Weise hat Karamarko die Parteispitze dauernd davon überzeugt, dass er genügend Zusicherungen im Parlament habe." Es habe Leute in der Partei gegeben, die Karamarko gewarnt hätten. Sie seien strikt dagegen gewesen, dass man die Regierung stürze, und sie hätten verlangt, dass Karamarko Beweise vorlege, dass er die Unterstützung von 76 Parlamentsabgeordneten genieße. Diese Leute hätten allerdings nicht auf die Beweise beharrt. "Deshalb müsste das Präsidium eigentlich kollektiv zurücktreten", sagt Šeks.

"Hätte das alles vermeiden können"

Der ehemalige Parlamentspräsident beschreibt Karamarko als "starrköpfig". "Er hätte das alles vermeiden können. Viele von uns – auch ich – haben ihm gesagt: Tritt als Vizepremier im Sinne des nationalen Interesses zurück! Geh als Abgeordneter ins Parlament, dadurch gefährdest du die Regierung nicht! Aber er hat sich für einen selbstmörderischen und autistischen Schritt entschieden."

Bereits als Karamarko 2012 die Partei übernommen hat, sei "der innerparteiliche Demokratisierungsprozess rückgängig gemacht" worden, so Šeks. Er selbst, aber auch die ehemalige Premierministerin Jadranka Kosor wurden in die Ecke gedrängt. Die jetzigen Ursachen der Krise der HDZ führt Šeks darauf zurück, dass Karamarko im Vorjahr die Wahlkampfstrategie gewechselt und anschließend nicht mehr die Wirtschaftskompetenz der damals regierenden Sozialdemokraten kritisiert hatte. Dabei lag die HDZ ein halbes Jahr vor den Wahl weit vorn, sie hätte also gewinnen können. Ein Wirtschaftsprogramm lag vor, aber: "Stattdessen hat er ein antikommunistisches Manifest verfasst", erzählt Šeks. "Dadurch kam es zu einem Rechtsdrall in der Partei. Die Balance, die es seit Beginn der 1990er-Jahre gab, war damit gestört."

Šeks: "Plenković guter Kandidat"

Man habe sogar davon gesprochen, ein Register mit Verrätern und Staatsfeinden zu schaffen. Alte Themen wie "Ustascha versus Partisanen" seien angeschnitten worden. "Man führte Krieg – nicht für die Gegenwart oder Zukunft, sondern für die Vergangenheit", meint der Altvordere der Partei. Die versöhnende Politik, die eine Grundlage für den kroatischen Staat ist, sei damit unterlaufen worden. "Zugleich begann ein Prozess, in dem alle kritisch Denkenden aus der Partei entfernt wurden. Karamarko hatte sich das Motto auf die Fahnen geschrieben: 'Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.'" Auf allen Ebenen habe man ihm loyale Leute platziert. "Alle anderen haben entweder die Partei von allein verlassen, wurden passiv, oder sie wurden ,exkommuniziert'. Das führte dazu, dass die Partei an intellektuellen Fähigkeiten verlor und die Beliebtheit der HDZ sank."

Karamarkos Kontrolle über die Partei sei so weit gegangen, dass er persönlich Notizzettel verfasst habe, die unter den Delegierten verteilt wurden und auf denen stand, wen die Leute zu wählen hatten. Geht es nach Šeks, sollten am 3. Juli innerparteiliche Wahlen stattfinden. Falls es zu einer Stichwahl um den Vorsitz kommt, könnte diese am 10. Juli abgehalten werden. Šeks hält Plenković für einen guten Kandidaten, der viel Sympathie in der Partei genießt. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 21.6.2016)