Berlin – Die gute Nachricht ist: Gelenkprothesen halten immer länger. Zudem zählt das Implantieren eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks mittlerweile zu den Routineoperationen. In Deutschlands Krankenhäusern gehört sie zu den 20 häufigsten Eingriffen bei vollstationär aufgenommenen Patienten. Insgesamt sind es rund 220.000 pro Jahr

Nun zu den weniger erfreulichen Nachrichten: Mediziner der Charité Universitätsmedizin Berlin haben herausgefunden, dass Implantate, bei denen sowohl Kugelkopf als auch Gelenkpfanne aus Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen bestehen, sogenannte Metall-Metall-Gleitpaarungen, im menschlichen Körper Metallionen freisetzen können. Das kann zum implantatnahen Knochenverlust beitragen, wie die Wissenschafter betonen.

Potenzial zum Knochenaufbau vollständig eingebüßt

Metallionen schädigen die Vorläufer knochenaufbauender Zellen, heißt es in der Studie, die kürzlich im Fachjournal "Biomaterials" veröffentlicht wurde. Gegenwärtig werden hauptsächlich Implantate mit Metall-Polyethylen- oder Keramik-Keramik-Gleitpaarung eingesetzt. Nachdem bei Implantaten mit Metall-Metall-Paarung vermehrt Knochenrückbildungen festgestellt worden waren, analysierten die Berliner Wissenschaftler die Veränderungen im gelenknahen Gewebe, in der Gelenkflüssigkeit und im Knochenmark, die durch eine Chrom- und Kobaltbelastung ausgelöst werden.

Es zeigte sich, dass nicht nur Abriebpartikel, sondern auch gelöste Metalle eine entscheidende Rolle bei der Gesamtbelastung spielen. Die gelösten Bestandteile erreichen das Knochenmark und schädigen dort die Vorläuferzellen von knochenmineralisierenden Osteoblasten, sogenannten mesenchymalen Stammzellen (MSCs). Durch die Analyse konnte gezeigt werden, dass MSCs, die aus dem Knochenmark von metallbelasteten Patienten isoliert wurden, ihr Potenzial zur Differenzierung zu Osteoblasten und somit zum Knochenaufbau vollständig eingebüßt hatten.

Den Ursachen auf der Spur

Diesen Effekt konnten die Forscher anhand von Zellkulturen unbelasteter Patienten bestätigen, indem sie relevante Mengen gelösten Chroms und Cobalts in der Zellkultur aussetzten, mit identischem Resultat. "Wir konnten zeigen, dass die Bestimmung der lokalen Metallbelastung entscheidend dazu beiträgt, biologische Konsequenzen der Metallabriebprodukte zu verstehen und als mögliche Ursachen des Versagens einer Endoprothese zu identifizieren", sagt Anastasia Rakow, Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité.

"Die Freisetzung von Abrieb- und Korrosionsprodukten hat unseren Untersuchungen zufolge mehrere Ursachen. Neben den Materialeigenschaften spielen auch biomechanische und anatomische Gegebenheiten des einzelnen Patienten eine zentrale Rolle, ergänzt der Toxikologe Janosch Schoon. Das Fazit der Forscher: "Risiken, die von Metall-Metall-Gleitpaarungen ausgehen, übersteigen deren Nutzen. Ihr Einsatz sollte auf das medizinisch begründbare Maß begrenzt bleiben". (red, 21.6.2016)