Durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen werden Viruserkrankungen wie HIV oder Hepatitis übertragen.

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Die Hepatitis C wird vor allem unter Opiatabhängigen über kontaminierte Spritzen übertragen. Ein hoher Anteil der chronisch Kranken leidet an zunehmenden Leberschädigungen mit Zirrhose, Leberversagen oder Karzinomen als Folge. "Die beste Möglichkeit, alles das zu verhindern, ist natürlich die Verhütung der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV). Dazu gehört neben der Substitutionstherapie auch das niederschwellige Angebot von Spritzentausch und Tests auf HCV", sagt Hans Haltmayer, Wiener Sucht- und Drogenbeauftragte.

Laut den Daten der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle sind rund 50 Prozent der Opiatabhängigen mit intravenösem (i.v.) Konsum in Österreich Hepatitis C-infiziert. Ein international beachtetes Projekt in Wien könnte helfen, diese Problematik zu beenden. "Das Problem der hohen Hepatitis-C-Prävalenz (Häufigkeit; Anm.) gibt es seit Jahren. Die HIV-Problematik ist dagegen zurückgegangen. Rund 50 Prozent der i.v.-Drogenkonsumenten hatten in Österreich eine Hepatitis-C-Infektion, die Hälfte davon entwickelt eine chronische Infektion", sagte der Beauftragte für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, Hans Haltmayer.

Spritzen tauschen

Seit vielen Jahren waren und sind Spritzentauschprogramme ein geeignetes Mittel zur Verhinderung weiterer Infektionen. In Österreich funktioniert das in einigen Ballungszentren, zum Beispiel in Wien. Sterile Einwegspritzen werden an die i.v.-Suchtmittelabhängigen abgegeben – und bei Retournierung kostenlos ausgetauscht. Haltmayer sagte dazu: "Die Rücklaufquote beträgt 98 Prozent."

Doch wenn einmal eine Hepatitis-C-Infektion erfolgt ist, geht es um etwas anderes: um die Behandlung zur Verhinderung von Komplikationen und um die seit dem Vorhandensein hoch effektiver Arzneimittel mögliche Ausheilung der Krankheit. Das könnte auch ein weiteres Infektionsrisiko verhindern.

"Die meisten der von HCV betroffenen Patienten stecken sich schon binnen eineinhalb bis zwei Jahren problematischen Opiatkonsums an. Die chronische Infektion verläuft in der Regel über viele Jahre ohne schwerwiegende Folgen. Infolge von Begleiterkrankungen wie HIV-Infektion oder Alkoholabhängigkeit sehen wir aber früher Suchtmittelabhängige mit Folgeschäden", sagte der Wiener Sucht- und Drogenbeauftragte.

Neue Medikamente als Option

Bisher war eine die chronische Hepatitis C ausheilende Therapie mit pegyliertem Interferon-Alpha und dem synthetischen Wirkstoff Ribavirin bei diesen Patienten kaum anwendbar. Vor allem bei Leberzirrhose war das Interferon für die schon geschädigte Leber gefährlich, Nebenwirkungen wie das Verstärken von depressiven Symptomen und chronische Müdigkeit trafen gerade die Suchtkranken besonders.

Das hat sich grundsätzlich geändert. Haltmayer sagte: "Die medikamentöse Behandlung der Hepatitis C mit neuen direkt gegen das Virus wirkenden Medikamenten in Tablettenform ist faktisch ohne Nebenwirkungen und hat einen großen Fortschritt gebracht." Aus klinischen Studien weiß man, dass die Ausheilungsrate nach zwei bis vier Monaten Therapie 96 bis hundert Prozent beträgt. Mit den neuen, jedoch sehr teuren Arzneimitteln, ließe sich erstmals weltweit die Hepatitis C in absehbarer Zeit besiegen.

Für Wiener Suchtkranke, für die diese Behandlung infrage kommt, soll das in möglichst großem Umfang erfolgen. Die Suchthilfe Wien startete mit dem Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung im Wilhelminenspital, Michael Gschwantler, und in Zusammenarbeit mit dem Verein Dialog das gut dokumentierte Projekt der HCV-Behandlung von Opiatabhängigen in Substitutionstherapie.

Vulnerable Zielgruppen

"Wir bieten schon lange die Testung auf eine HCV-Infektion an. Bei einem positiven Befund erfolgt ein Aufklärungsgespräch, wie eine Übertragung des Virus am besten verhindert werden kann. Für eine mögliche Therapie der Hepatitis C haben wir drei Gruppen von Patienten definiert. Die erste Gruppe ist stabil in Substitutionstherapie und kann Termine und die Medikamenteneinnahme so regelmäßig wahrnehmen, dass sie ohne weiteres an einem auf Lebererkrankungen spezialisierten Zentrum behandelt werden kann", sagte der Haltmayer.

Bei einer weiteren Gruppe ist wegen deren spezifischer Problematik und Instabilität eine Behandlung derzeit nicht möglich. Doch es gibt noch eine dritte Gruppe. "Diese Kranken sind zwar sehr stabil in der Substitutionstherapie und holen sich in der Apotheke verlässlich ihre Medikamente, sie bringen aber aufgrund ihrer prekären sozialen Situation, zu der auch Obdachlosigkeit gehören kann, und wegen zusätzlicher psychischer Erkrankungen nicht die erforderliche Stabilität für die Behandlung der Hepatitis C in einer Spitalsambulanz auf", so Haltmayer

Gemeinsam mit Gschwantler wurde deshalb ein eigenes Programm für diese Personen entwickelt. "Diese Patienten holen wir für die zwei bis drei Monate dauernde Hepatitis-Therapie gemeinsam mit ihrer Substitutionsbehandlung in die Suchthilfe Wien. Sie bekommen jeden Tag ihr Substitutionsmedikament und gleichzeitig die Tablette(n) für die Behandlung der Hepatitis C."

Medikamente gratis

Der Pharmakonzern Gilead als Entwickler und Hersteller solcher Präparate hat dazu einen Beitrag geleistet und Medikamente kostenlos zur Verfügung gestellt. Somit kann die Behandlung auch bei Personen erfolgen, welche keinen Anspruch auf Kostenerstattung durch die Sozialversicherung haben.

Die Erfolge sprechen für das Programm. Der Wiener Sucht- und Drogenbeauftragte erzählte: "Wir haben bisher 59 Patienten behandelt. Es wurden 3.662 Einzeldosen der Medikamente gegen die Hepatitis C verabreicht, davon 3.660 eingenommen – das sind 99,9 Prozent. Von 30 Patienten waren bei der Kontrolle drei Monate nach Therapieende – sie gilt als Messpunkt für die Heilung – 30 geheilt. Das entspricht einer Erfolgsrate von hundert Prozent." Dabei hatten schon 15 der 59 Patienten eine Leberzirrhose und vier von ihnen zusätzlich eine HIV-Infektion.

Virus ausrotten

Das System funktioniert ähnlich wie es bei der Behandlung der Tuberkulose in Ländern erfolgt, wo die regelmäßige Einnahme der Medikamente über längere Zeit hinweg nicht sicher ist. Es heißt "DOTS", was im Englischen eine Therapie unter direkter Beobachtung der Einnahme bedeutet. "An sich wäre es sinnvoll, wenn wir möglichst viele unserer Patienten mit chronischer HCV-Infektion gleichzeitig behandeln und damit ausheilen könnten, weil dann die Möglichkeit weiterer Infektionen in diesem Personenkreis sinken würde", meinte Haltmayer. Doch dafür sind derzeit vor allem aus Kostengründen die Voraussetzungen nicht vorhanden.

Die Voraussetzung für das alles ist aber die Gewährleistung einer möglichst niederschwelligen und effektiven medizinischen Behandlung der Opiatabhängigen. "Dabei hat es in den vergangen 25 Jahren große Fortschritte gegeben. Im Vergleich zu den Anfängen wurde auch im niedrigschwelligen Bereich ein hochspezialisiertes medizinisches Angebot aufgebaut. Auch die Substitutionsbehandlung ist viel differenzierter und effizienter geworden", sagte Haltmayer. Das hätte erst die Basis für die Möglichkeiten geschaffen, auch die HCV-Problematik therapeutisch anzugehen. (APA, 20.6.2016)