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Durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien wurden dort im Vergleich zu 2014 um eine Million Menschen mehr zur Flucht gezwungen.

Foto: Reuters/Muhammad Hamed

Genf/Wien – Bereits im Jahr 2011 verkündeten die Vereinten Nationen, dass noch nie so viele Menschen auf der Flucht waren wie in diesem Jahr. Damals waren es 42,5 Millionen Menschen. Nun sind es 65,3 Millionen Geflohene. Das sind die Zahlen, die aus dem statistischen Jahresbericht des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR für 2015 hervorgehen. Dieser wurde anlässlich des Weltflüchtlingstags, der heute, Montag, begangen wird, präsentiert. Das bedeutet, dass sich jeder 113. Mensch auf der Welt auf der Flucht befindet, um 12,4 Millionen Menschen mehr als noch im Jahr davor.

Die meisten Flüchtlinge in der Türkei

Mehr als die Hälfte dieser Flüchtlinge stammt allein aus drei Staaten: Syrien (4,9 Millionen), Afghanistan (2,7 Millionen) und Somalia (1,1 Millionen). Durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien wurden dort im Vergleich zum Jahr davor um eine Million Menschen mehr zur Flucht gezwungen. Die meisten von ihnen registrierten sich in der Türkei, die mit 2,5 Millionen aufgenommenen Flüchtlingen bereits zum zweiten Mal in Folge das Land ist, das weltweit die meisten Flüchtlinge beherbergt – in absoluten Zahlen.

Sieht man die Flüchtlingszahl in Relation mit der Einwohnerzahl, so ist der Libanon an der Spitze: 1,1 Millionen Vertriebene bedeuten, dass auf 1.000 Einwohner im Libanon 183 geflohene Menschen kommen.

Zahl im Libanon verringert

Dabei hat sich die Zahl im Libanon im Laufe des Jahres 2015 verringert, wie Matthew Saltmarsh von UNHCR in Beirut im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Dafür gebe es unterschiedliche Gründe wie Resettlement in andere Staaten, Todesfälle und die Flucht in andere Länder.

Wobei Letzteres durch Inkrafttreten des Deals zwischen der EU und der Türkei nahezu unmöglich ist. Und die Situation für die Flüchtlinge verschlechtert sich laut Saltmarsh kontinuierlich: "Je länger die Menschen im Libanon festsitzen und nicht zurück nach Syrien kommen, desto schwieriger wird es für sie, den Kopf über Wasser zu halten."

Finanzielle Situation verheerend

Vor allem die finanzielle Situation der Flüchtlinge sei verheerend. Die Regierung hat laut Saltmarsh kein Interesse an der Integration der Menschen, und die Mehrheit der Flüchtlinge wolle wieder zurück nach Hause.

Auch die Bevölkerung des Libanon hat durch die wirtschaftlich schlechte Situation des Landes mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Das UNHCR versucht möglichen Spannungen zwischen den Einheimischen und den Flüchtlingen durch Projekte entgegenzuwirken, von denen beide Gruppen profitieren.

Spenden für Neubauten

So würden Spendengelder durch die Ministerien des Libanon eingesetzt werden, um Krankenhäuser und Schulen zu bauen. "Aber wenn man auf die Straße geht, dann kann man die Spannung zwischen der Bevölkerung und den Geflohenen spüren", so Saltmarsh.

Die meisten Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Asylwerber befinden sich im globalen Süden. Insgesamt 86 Prozent der Flüchtlinge, die im Jahr 2015 unter UNHCR-Mandat standen, hatten in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen Schutz gesucht. Die meisten Menschen flüchten gar nicht nach Europa.

Humanitäre Krise im Jemen

Vor allem auch die Krise im Jemen hat laut Hochkommissariat innerhalb nur eines Jahres für 2,5 Millionen Menschen gesorgt, die Binnenflüchtlinge wurden. Das bedeutet, dass zehn Prozent der Bevölkerung auf der Flucht waren. Für die internationale Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council ist damit die humanitäre Krise des Jemen auf Platz zwei des NGO-Rankings vernachlässigter Krisen gereiht worden.

Die Liste der zehn Krisen, die am meisten von der internationalen Gemeinschaft und den Medien vernachlässigt worden waren, wurde vergangene Woche veröffentlicht. Angeführt wird sie von der Katastrophe in der Sahelzone, wo nach Schätzungen der UN heuer 23,5 Millionen Menschen von Nahrungsknappheit betroffen sind. (Bianca Blei, 20.6.2016)