Gerstorfer: "Die unterschiedlichen Strömungen in der Partei unter einen Hut bringen."

Foto: Alexander Schwarzl

Kanzler Christian Kern und die neue Chefin der SPÖ Oberösterreich.

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Linz – Das erste Aufatmen ging gleich zu Beginn des außerordentlichen Parteitags der SPÖ Oberösterreich in Marchtrenk durch die Reihen der Genossen. Oberösterreichs AMS-Landeschefin Birgit Gerstorfer wollte Samstagfrüh immer noch neue rote Landeschefin werden. Damit waren die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Parteitag deutlich besser als beim letzten roten Delegiertentreffen am 16. Jänner in Linz. Damals trat der damalige Parteichef Reinhold Entholzer nach innerparteilicher Kritik um Personalentscheidungen wenige Stunden vor seiner geplanten Wiederwahl zurück. Arbeiterkammer- und ÖGB-Chef Johann Kalliauer übernahm damals interimistisch das Ruder.

Bittere Wahrheit

Kalliauer war es an diesem Samstag auch, der die Genossen in ihrer Euphorie im örtlichen Kulturzentrum auf den Boden der Tatsachen zurückholte. "Wir sind heute eine 18-Prozent-Partei und haben, aus Sicht der Menschen, wenig politisches Profil. Aber heute ist der Tag des Aufbruchs. Die inhaltliche Neuausrichtung werde ich Birgit Gerstorfer und ihrem Team überlassen", so der Interimschef.

Gerstorfer betrat dann unter tosendem Applaus im knallroten Blazer und mit der Ansage "Eins werden" erstmals die große SPÖ-Bühne. Sie entschied sich zu einem Vorstellungsgespräch. Gilt doch die politische Quereinsteigerin für viele Genossen als die große Unbekannte.

Präsidiale Hoffnung

Gerstorfer erzählt, dass die Entscheidung, den heiklen Job als Chefin einer schwer angeschlagenen Partei zu übernehmen, am 23. Mai gefallen ist. "52 Prozent haben damals in Oberösterreich bei der Präsidentschaftswahl für Alexander van der Bellen gestimmt. Da habe ich gewusst: Da gibt es viele rote Herzen, die zur richtigen Zeit am richtigen Platz ihre Kreuz machen. Es macht Sinn, diese roten Herzen freizuschaufeln und wiederzubeleben."

Man müsse sich in der Partei wieder der gemeinsamen Werte besinnen – "und als unsere Stärke wieder in der Vordergrund rücken. Man muss Vertrauen wachsen lassen, Vertrauen kann man nicht anschaffen". Es gelte Sicherheit zu vermitteln, etwa bei den Pensionen und der Bildung.

Bei ihrem ersten, aber durchaus souveränen Parteiauftritt scheute Gerstorfer auch nicht vor klaren politischen Ansagen zurück: "Ich bin für einen gesteuerten Zugang für Asylwerber in den Arbeitsmarkt. Dürften in Oberösterreich nur 20 Prozent der Männer im erwerbsfähigen Alter arbeiten, wären das bei 13.102 Asylwerbern Mitte Mai 1.200 Personen. Das würde der Arbeitsmarkt locker vertragen. Wir hätten eine Ersparnis in der Grundversorgung von 9,6 Millionen Euro jährlich und 12,4 Millionen an Sozialbeiträgen. Das ist schlicht und einfach ein Riesengeschäft für uns."

Rote "Lufthoheit"

Der SPÖ will Gerstorfer wieder "Lufthoheit" verschaffen: "Wir müssen über den Stammtisch hinaus unsere Werte kommunizieren. Nicht nur vor Wahlen sondern jeden Tag. Wir müssen uns Ziele setzen, diese erreichen und uns messbar machen – dann kann eine neue Marke SPÖ entstehen." Man müsse "eins werden" innerhalb der Partei: "Gemeinsame Entscheidung treffen – und all die unterschiedlichen Strömungen in der Partei unter einen Hut bringen. Eins werden müssen wir aber auch vor allem mit den Bedürfnissen der Menschen."

Die scheidende AMS-Chefin sieht sich sich selbst als "Mutmacherin und durch und durch optimistisch". Sie führe mit "Herz und Verstand", werde aber manchmal auch eine "liebevolle Zumutung" sein. Sie wurde mit 95,8 Prozent der Delegiertentstimmen zu Oberösterreichs erster SPÖ-Chefin gewählt.

Selfie mit Kern

Eine rote Premiere wurde auch der Auftritt von Bundeskanzler Christian Kern. Erstmals trat der designierte SPÖ-Bundeschef in Oberösterreich vor größeres Parteipublikum. Doch der Gang zur Bühne gestaltete sich durchaus schwierig: Die Genossen standen Schlange, um mit Kern ein Selfie zu ergattern und die Moderatorin hatte die liebe Mühe, den Kanzler auf die Bühne zu bringen. In seiner Rede sagte Kern, warum er diesen Job macht. "Die Antwort ist einfach, die Antwort seid’s ihre alle."

Kern betonte, er wolle der Partei wieder ihr Selbstbewusstsein zurückgeben: "Wir dürfen uns auch nicht in die Tasche lügen – sozialdemokratische Parteien haben sehr viel von ihrem Profil verloren. Und wenn wir nicht mit Leidenschaft kämpfen, dann gibt es keine Bestandsgarantie für die SPÖ."

Für den Bundeskanzler gibt es aber Grund zum Optimismus: "Wir haben unsere Grundwerte, die uns alle gemeinsam tragen: Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit. All jenen, die behaupten, das sozialdemokratische Jahrhundert sei zu Ende kann ich nur eines ausrichten: Das ist ein völliger Unsinn."

Kern: "Kompromiss kennt auch Grenzen"

Aber man dürfe nicht nur "die Schaufenster behübschen". "Nicht nur ein wenig PR, es braucht mehr. Wir müssen wieder klarer machen, was sozialdemokratische Positionen im 21. Jahrhundert sind. Unsere Grundsätze müssen immer wichtiger sein, als der pure Machterhalt. Wir dürfen nicht die Asche anbeten, wir müssen unsere Flammen am Brennen halten."

Besonders erfreut zeigte sich Kern, dass künftig eine Frau das rote Ruder in Oberösterreich übernehmen wird: "Denn auch wenn’s noch so schlecht gegangen ist, auf die Frauen haben wir uns immer verlassen können. Die Wahl von Birgit Gerstorfer ist ein Zeichen der Dankbarkeit an eine wichtige Wählerschaft."

Mit dem Regierungspartner ÖVP geht Kern hart ins Gericht: "Es ist schwierig, wenn man in einem Achter-Boot rudert und ein Teil der Truppe ein Loch in den Boden hackt. Ganz klar: Wir sind kompromissbereit, aber der Kompromiss kennt auch Grenzen." (Markus Rohrhofer, 18.6.2016)