Die Ermordung der Labour-Abgeordneten Jo Cox löst nicht nur in Großbritannien einen Schock aus. Auch wenn die Motive des Verdächtigen am Freitag noch nicht ganz klar waren, wirft die Tat grundsätzliche Fragen auf: Wie weit kann Hass gehen? Ist das eine Folge der Polarisierung der politischen Diskussionen, wie sie auch beim Präsidentschaftswahlkampf in Österreich zu beobachten war, und einer Radikalisierung, die zunehmend im Netz zu beobachten ist? Kann die Ablehnung von Politik und Politikern sogar zu tätlichen Übergriffen führen? Ist die Verschärfung und Verrohung des öffentlichen Diskurses ein Beitrag dazu?

Beispiele dafür gibt es viele. Auf Heinz-Christian Straches Facebook-Seite wünschte kürzlich jemand "eine schnelle Kugel", und zwar "9 mm!!!", für Bundeskanzler Christian Kern. Der Regierungschef reagierte im Parlament indirekt darauf, erinnerte an die Geschichte und daran, "dass sich die Gewalt der Worte sehr rasch in einer Gewalt der Taten entladen kann".

In Deutschland wurden nach dem Angriff auf die wahlkämpfende Politikerin Henriette Reker Parallelen zur Ermordung des liberalen Außenministers Walther Rathenau durch Rechtsextremisten im Jahr 1922 gezogen. Die nunmehrige Kölner Oberbürgermeisterin überlebte im Vorjahr den Anschlag schwer verletzt, der Angreifer hatte "ein Zeichen gegen die Flüchtlingspolitik" setzen wollen.

Auch Reker sieht nach dem Attentat auf Cox einen Zusammenhang zur aktuellen politischen Debatte: "Ausländerfeindliche Parolen münden unweigerlich in Gewalt. Wir alle tragen Verantwortung, dass es in Deutschland und Europa nie wieder so weit kommt", war ihre Reaktion auf den Angriff auf ihre Politikerkollegin.

Dieser Appell bezieht alle ein, Stellung zu beziehen, wenn Kritik in Hass und Hetze umschlägt. Das ist nicht nur Aufgabe von Medien. Das gilt für Gespräche gleichermaßen wie für Kommentare im Netz. Im Windschatten rechter Bewegungen fallen Schranken – egal ob es gegen Ausländer, Frauen, Homosexuelle oder Andersdenkende und Andersgläubige geht. Darüber gibt es auch in Österreich derzeit eine öffentliche Debatte; vor allem weibliche Journalisten können von einer Zunahme verbaler Angriffe berichten.

Aber auch Facebook, Twitter und Co müssen rascher als bisher eingreifen, wenn hetzerische oder grob beleidigende Kommentare veröffentlicht werden. Wer einmal versucht hat, eine Löschung zu erreichen, weiß, wie schwierig das ist. Wenn notwendig, muss auch die Justiz eingreifen.

Aus vielen Zuschriften sprechen Verunsicherung und Angst vor einer Verschlechterung der Lebensbedingungen, das verlangt Antworten der Politik. Die Migrationsfrage hat auch die Debatte vor dem Referendum in Großbritannien dominiert. Es ging in den vergangenen Wochen nicht primär um die ökonomischen Aspekte eines Austritts aus der EU und Einflussmöglichkeiten in Brüssel. Die Flüchtlingskrise und das Visaabkommen mit der Türkei waren der Anlass für Nigel Farages UK Independence Party, die Diskussion immer weiter zuzuspitzen.

Emotionalisierung und Polarisierung sind keine Phänomene, die auf Großbritannien beschränkt sind. Die Verachtung von Politikern, Entscheidungsträgern, "denen da oben" hat ein gefährliches Ausmaß angenommen – gefördert durch Politiker, die vom Populismus profitieren. (Alexandra Föderl-Schmid, 17.6.2016)