Die Anfechtung der FPÖ beschäftigt sämtliche Verfassungsrichter: Ab Montag ruft Präsident Gerhart Holzinger zur öffentlichen Verhandlung.

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Wien – Mittlerweile sind es 90 Zeugen, die ab kommendem Montag vor den Verfassungsrichtern in der Causa Bundespräsidentschaftswahl aussagen sollen. Das Höchstgericht hat also einen weiteren, vierten Verhandlungstag anberaumt – es handelt sich um das größte Beweisverfahren in der Geschichte des VfGH.

Ab 8.30 Uhr wollen die 14 Verfassungsrichter in einem ersten Schritt überprüfen, ob die von der FPÖ behaupteten Gesetzesübertretungen tatsächlich wie behauptet stattgefunden haben. Denn einerseits wurde in beinahe allen Bezirkswahlkommissionen die ordnungsgemäße Ermittlung des Wahlergebnisses bestätigt. Andererseits stellten im Nachhinein zahlreiche FPÖ-Wahlbeisitzer genau das in Abrede und liefern FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer damit die Grundlage für seine 152 Seiten starke Wahlanfechtung, in der er Gesetzeswidrigkeiten in 94 Bezirkswahlbehörden vermutet.

Riskante Entschlagung

Das Innenministerium hat gegen diese Wahlbeisitzer wegen vermuteter falscher Beurkundung Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht. Sollten sich die Geladenen aus diesem Grund der Aussage vor dem VfGH entschlagen wollen, ist das nicht unriskant. Dann stünde das unterschriebene gegen das reklamierte Wort – im Zweifelsfall würde den Richtern wohl der Wahlakt als glaubwürdige Basis für das Verfahren dienen.

Die Grünen haben sich schon ein Urteil gebildet – und gehen davon aus, dass eine Mehrheit für Alexander Van der Bellen außer Zweifel stehe. Übrigens hätte man sich auch für Andreas Khol, Rudolf Hundstorfer oder Irmgard Griss hingesetzt und die "Taschenspielertricks" von FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer öffentlich angeprangert, erklärte der Grüne Abgeordnete Dieter Brosz den Einsatz für den offiziell unabhängigen Kandidaten Van der Bellen.

Die Vorwürfe der Grünen: Die FPÖ rechne mehrere Bezirke, in denen aus unterschiedlichen Gründen angefochten wird, gleich mehrfach und komme somit auf rund 290.000 fragwürdige Stimmen. Tatsächlich gehe es um 109.000 Stimmen, wenn man seriös rechne. Die von der FPÖ bekrittelte Vorsortierung von Wahlkarten sei nichts anderes als ein "Stapelverbot" Böhmdorfers.

Brosz ist sich sicher, darauf werde der VfGH "nicht näher eingehen". Jene Wahlkommissionen, in denen die Beisitzer behaupten, vorsortierte Karten seien für sie nicht mehr überprüfbar gewesen, sind übrigens bereits am ersten Verhandlungstag geladen. Aus grüner Sicht müssen die Verfassungsrichter auch eine Plausibilitätsprüfung anstellen, sprich: eine statistische Rechnung, inwieweit eine Manipulation der Ergebnisse in den betroffenen Bezirken im Vergleich zur Stimmverteilung in den restlichen Bezirken realistisch sein könnte. Formfehler seien zwar zuhauf vorgekommen, "Grundlage für eine Wahlaufhebung" könne das aber nicht sein, glaubt Brosz. Ausschließen will aber auch er die Aufhebung nicht.

Warten bis Montag

Was, wenn tatsächlich neu gewählt werden muss? Im Bundespräsidentenwahlgesetz findet sich dazu nur ein weißer Fleck. Auch die Verfassung sorgt für den Fall der "dauernden Erledigung" des Präsidentenamtes nur vage vor: "Sofort" habe die Regierung eine neue Wahl auszuschreiben. Rechnet man den Fristenlauf im Parlament und die logistischen Vorbereitungsarbeiten mit ein, kommt als potenzieller Zeitpunkt für eine neue Stichwahl frühestens ein Sonntag Ende September infrage. Bis dahin führen die Nationalratspräsidenten unter Leitung der Ersten Präsidentin die Amtsgeschäfte. Innenminister Wolfgang Sobotka kann sich vorstellen, mit der Feststellung des Wahlergebnisses künftig bis zum Montag nach der Wahl zu warten. (Karin Riss, 16.6.2016)