Yoichi Masuzoe trat als Gouverneur von Tokio zurück. Auch seinen Nachfolger werden die Olympia-Skandale beschäftigen.

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Tokio – Als Japans Premierminister Shinzo Abe zusammen mit dem Gouverneur von Tokio, Naoki Inose, 2013 die Olympischen Spiele 2020 nach Tokio holte, glaubte er, damit die Geschichte von Olympia 1964 wiederholen zu können. Sie stand am Beginn des Aufstiegs Japans, von dem in den Achtzigerjahren viele dachten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Japan die USA als Wirtschaftsmacht Nummer eins ablösen würde.

Diese Erwartung erfüllte sich nicht: Der Erfolgshunger von damals ist dahin. Die in vier Jahren anstehenden Olympischen Spiele machen derzeit vor allem durch Skandale von sich reden. Wenige Monate nach der gewonnenen Bewerbung musste Gouverneur Inose zurücktreten, weil er von einem dubiosen Krankenhausbetreiber ein fragwürdiges Darlehen genommen hatte. Auch sein Nachfolger Yoichi Masuzoe trat nun am Mittwoch zurück.

Monatelange Kritik

Die seit Monaten zunehmende Kritik an seiner großzügigen Verwendung öffentlicher Gelder für seinen aufwendigen Lebensstil hatte dazu geführt, dass alle Parteien im Parlament von Tokio zu seiner Abwahl bereit waren. Vor den Oberhauswahlen am 10. Juli wollten sich alle Parteien als sauber präsentieren und mit einem Verschwender wie Masuzoe nichts zu tun haben. Jetzt wird sich ein neuer Gouverneur erst wieder in die Materie Olympia einarbeiten müssen. Und das scheint bei Weitem keine leichte Aufgabe zu werden.

Einer der Olympia-Skandale betrifft beispielsweise den Bau eines Stadions, das nach einem Entwurf der kürzlich verstorbenen irakisch-britischen Stararchitektin Zaha Hadid gebaut werden sollte.

Der Hadid-Entwurf war bei der Bevölkerung und der gesamten japanischen Architektengemeinde – darunter einige Pritzker-Preis-Träger, die Auszeichnung gilt als der Nobelpreis für Architektur – wenig beliebt. Allesamt hielten sie das Stadion für viel zu groß, weil es die Umgebung in unangemessener Weise dominiert hätte. Dazu wäre der Bau doppelt so teuer gekommen wie das Stadion von Peking 2008 – und das angesichts der ohnehin schon enormen Kosten für den Wiederaufbau der Katastrophenregion nach dem Erdbeben 2011 und der AKW-Havarie in Fukushima. Eine zusätzliche Belastung für das Budget des ohnehin hochverschuldeten Industrielandes. Als Premier Abe die Zustimmungsraten zu seinem Kabinett schwinden sah, warf er kurzerhand den Entwurf über den Haufen und ließ einen neuen Architektenwettbewerb ausschreiben.

Millionen Bestechungsgelder

Dieser wurde vom japanischen Architekten Kengo Kuma gewonnen, der für seine mit der Umgebung wunderbar korrespondierenden Entwürfe bekannt ist. Typisch für Kengo ist die häufige Verwendung natürlicher Materialen wie Holz. Das zeichnet auch seinen Entwurf für das neue Olympiastadion aus. Einziger Schönheitsfehler: Es gibt keinen Platz für das Olympische Feuer.

Der nächste Skandal betraf das Logo der Olympischen Spiele, bei dem sich herausstellte, dass der Entwurf von einem belgischen Designer ohne dessen Wissen abgekupfert war. Nach einigem Hin und Her wurde jetzt ein neues Design ausgewählt. Aber das war noch nicht alles. Es gibt zahlreiche Verdachtsmomente, die darauf hinweisen, dass bei der Olympia-Vergabe vonseiten Japans Bestechungsgelder in Millionenhöhe geflossen sind.

Jedenfalls wurden von einem Bankkonto in Japan 1,3 Millionen Euro auf ein Bankkonto in Singapur mit dem Namen Black Tidings überwiesen. Der Kontoinhaber ist Papa Massata Diack, der Sohn des Senegalesen Lamine Diack, einem hochrangigen Funktionär der International Association of Athletic Federation (IAAF). Diack ist zurückgetreten, als bekannt wurde, dass er aus Russland mehr als eine Million Euro erhalten hatte, um positive Dopingtests russischer Leichtathleten zu vertuschen.

Obskure Berater Japans

In Frankreich werden gerade die Vergaben der Olympischen Spiele von 2016 an Rio de Janeiro und 2020 an Tokio untersucht. Auch Diacks Rolle dabei wird unter die Lupe genommen. Von japanischer Regierungsseite heißt es, die Zahlungen an Diack seien rechtmäßig gewesen, es habe sich um Beratungsgelder gehandelt. Es stellt sich aber die Frage, von welchen obskuren Beratern sich das japanische Olympische Komitee beraten ließ. Abes Traum, der Welt mit den Olympischen Spielen 2020 ein neues Japan vorzuführen, könnte also unsanft zu Ende gehen. (Siegfried Knittel aus Tokio, 16.6.2016)