Wien – Die Kombination hatte etwas Bestechendes: Anton Weberns Passacaglia op. 1 und die 9. Symphonie von Anton Bruckner, also der offizielle Anfang des einen OEuvres und der unvollendete Abschluss eines anderen. Zwei Werke, die die Wiener Philharmoniker im Musikverein ohne Pause aneinanderfügten – wodurch noch deutlicher wurde, dass sie bei allen Unterschieden eine konzentrierte Expressivität miteinander teilen.

Dirigent Yannick Nézet-Séguin gilt ja gemeinhin als einer der Besten seiner Generation. Nicht erst seit seiner Bestellung zum neuen Chefdirigenten der Metropolitan Opera in New York (ab 2020) eilt ihm ein Ruf voraus, der von hohen handwerklichen Fähigkeiten und charmanter Inspiration kündet. Und ein solches Flair verbreitete er auch zweifellos im Goldenen Saal, wo ihm das Orchester mit routinierter Brillanz folgte.

Webern gelang das vor allem dank der Selbstverständlichkeit, mit der die Philharmoniker dieses ausdrucksgeladene Idiom mit Nachdruck bedienen, glänzend, während sich der Dirigent vor allem als straffer Organisator des Zeitverlaufs betätigte.

Auch bei Bruckner erstreckte sich sein Wirken auf kaum mehr als eine sehr korrekte Ausführung des Notierten, während das Orchester gekonnt, allerdings auch etwas unvermittelt einen Tonfall der Intensität verfolgte. Besonders beim Adagio wirkte das Vibrato nach Vorschrift etwas ungelenk, weil es nicht so recht unter einen gestalterischen Rahmen finden wollte.

Vielleicht kommt Gehaltvolleres: Wenn am Dienstag Jonathan Nott dasselbe Orchester mit Musik von Ludwig van Beethoven, Richard Strauss und Gustav Mahler leitet, tritt ein Dirigent ans Pult, der einen hohen gestalterischen Anspruch verfolgt. Das lässt im Musikverein eine elektrisierende Dynamik zwischen Musikern und Pult erwarten. (Daniel Ender, 15.6.2016)