PRO: Jetzt geht's erst los

von Philip Bauer

Die Spieler ein Totalausfall, die Taktik nicht vorhanden, die Heimreise schon fix gebucht, bald ist es überstanden. Ja, sie hat geschlagen, die große Stunde der Raunzer. Dass sie bei der Fußball-Europameisterschaft kommen würde, stand außer Zweifel. Dass das kollektive Lamento schon nach dem ersten Spiel des österreichischen Nationalteams einsetzt, überrascht.

Eben wurde noch über eventuelle Viertelfinalgegner spekuliert, nun traut man den Verlierern kaum noch den Aufstieg zu. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, das Geschäft ist schnelllebig.

"Football, bloody hell!", entfuhr es einst der schottischen Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson, wohlwissend, dass der Sport sich ungern an generalstabsmäßige Pläne hält. Es ist Fußball, verdammter Fußball, und er wäre nicht so unterhaltsam, wenn der Favorit nicht auch straucheln könnte.

In diesem Sinne die gute Nachricht: Gegen Portugal nimmt Österreich am Samstag die Außenseiterrolle ein. Eine Rolle, die der Elf von Teamchef Marcel Koller besser stehen könnte. Das Spielgeschehen zu gestalten ist erfahrungsgemäß nicht deren ganz große Stärke.

Das Match gegen Ungarn ist verloren, sei's drum, abgehakt. Gegen die Magyaren scheiterte es an Kleinigkeiten, der Schuss von David Alaba kann vielleicht schon gegen Portugal seinen Weg ins Tor finden. Es geht nicht darum, wie das Turnier beginnt – sondern wie es endet. (Philip Bauer, 15.6.2016)

KONTRA: Das war's wohl schon

von Fritz Neumann

Es kann sehr schnell vorbei sein. Wenn Österreich am Samstag gegen Portugal verliert und Island gegen Ungarn gewinnt, hat das ÖFB-Team keine Chance mehr aufs EM-Achtelfinale. Das ist eher ein realistischer denn ein pessimistischer Ansatz. "Koller's Eleven" laufen der Form hinterher, kaum einer kann an jene Leistungen anknüpfen, die er in der Qualifikation gezeigt hat. Das 0:2 gegen Ungarn war keine Momentaufnahme, sondern Ausdruck einer Entwicklung. Es hat sich abgezeichnet. Von fünf Tests seit Herbst 2015 hatte Österreich drei verloren (jeweils 1:2 gegen die Schweiz und die Türkei, 0:2 gegen die Niederlande) und zwei gewonnen (jeweils 2:1 gegen Albanien und Malta).

Natürlich ist die Mannschaft nicht so schlecht, wie sie gegen Ungarn ausgesehen hat. Sie ist aber auch nicht so gut, wie einige nach der Qualifikation geglaubt haben. Da war viel Glück dabei, vielleicht zu viel Glück. Die Bäume sind rasch himmelhoch gewachsen, wahrscheinlich zu rasch und garantiert zu hoch. Die drei eingeplanten Punkte gegen Ungarn werden abgehen, Portugal und Island sind andere, größere Kaliber. Gegen Portugal wird neben dem gesperrten Aleksandar Dragovic vielleicht auch der verletzte Zlatko Junuzovic fehlen, beide sind schwer zu ersetzen. Wer soll Cristiano Ronaldo stoppen?

Das Leben ist kein Wunschkonzert, leider steigen nicht die sechs besten Gruppenvierten ins Achtelfinale auf. Es wird sehr schnell vorbei sein. (Fritz Neumann, 15.6.2016)