In Wien entsteht das erste österreichische Beratungszentrum für Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern und für homosexuelle Paare mit Kinderwunsch.

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Regenbogenfamilien müssen in Schul- und Kinderbücher, fordert Barbara Schlachter, Vereinsobfrau von Famos.

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Der Verein Famos unterstützt und vernetzt Regenbogenfamilien in Österreich.

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Der Verein Familien Andersrum Österreich (Famos) hat derzeit alle Hände voll zu tun. Gemeinsam mit der Stadt Wien und mit Unterstützung des Bezirks Margareten baut Famos ein Regenbogen-Familienzentrum auf. Es wird das erste österreichische Beratungszentrum für Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern und für homosexuelle Paare mit Kinderwunsch sein.

"Wenn alles so läuft wie geplant, können wir hoffentlich noch heuer eröffnen", sagt Vereinsobfrau Barbara Schlachter. Gemeinsam mit anderen lesbischen Müttern und schwulen Vätern, Co-Müttern und Co-Vätern, homosexuellen Pflegeeltern und Alleinerziehenden gründete sie 2011 den Verein zur Unterstützung und Vernetzung von Regenbogenfamilien in Österreich.

Regenbogenfamilien sichtbar machen

Bestehende Familienberatungsstellen sind mit den Besonderheiten, die sich aus der familiären Konstellation einer Regenbogenfamilie ergeben können, nicht immer vertraut. Schlachter: "Gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch fühlen sich wohler in einem Ambiente, wo sie wissen, sie werden hundertprozentig verstanden und können sich öffnen." Das sei in herkömmlichen Beratungseinrichtungen nicht immer der Fall.

"Ein Regenbogen-Familienzentrum ist auch ein Zeichen, dass Regenbogenfamilien in der Stadt Wien wahrgenommen und mit ihren Problemen und Anliegen ernst genommen werden", meint Schlachter. In Österreich gibt es immer mehr Kinder, die in Familien mit homosexuellen Eltern leben. Neben Kindern aus früheren heterosexuellen Beziehungen nimmt auch der Anteil an Kindern, die in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren werden, stetig zu.

Zwar gibt es keine Statistiken, wie viele Regenbogenfamilien und wie viele Paare mit Kinderwunsch es in Wien gibt. Aber es gibt Erfahrungswerte des Vereins: "So hat uns der ärztliche Leiter einer großen Wiener Kinderwunschklinik berichtet, dass derzeit pro Woche zwei bis drei lesbische Paare bei ihnen in Behandlung sind." Dank geänderter Gesetzeslage haben seit 2015 auch lesbische Paare Zugang zu Kinderwunschkliniken.

Rechtliche Verbesserungen erkämpft

Insgesamt hat sich in den vergangenen drei Jahren rechtlich einiges bewegt und zugunsten der Regenbogenfamilien getan. So wurde 2013 das Adoptionsrechtsänderungsgesetz erkämpft, also die Möglichkeit des nichtleiblichen Elternteils, das Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren. Gleichzeitig wurde versucht, das Fortpflanzungsmedizingesetz als diskriminierend aufheben zu lassen. Dieses wurde 2015 durch ein neues ersetzt – seither können sich auch lesbische Paare in Kinderwunschkliniken behandeln lassen. Und nach einem Verfassungsgerichtshof-Spruch steht seit 1. Jänner 2016 lesbischen und schwulen Paaren in Österreich auch die gemeinsame Adoption eines Kindes offen.

"Auf der rechtlichen Ebene der Gleichstellung fehlt jetzt noch die Öffnung der Ehe", sagt Schlachter. Die Ehe sei für Regenbogenfamilien insofern ein wichtiger Punkt, als die rechtliche Gleichstellung auch zusätzliche Sicherheit für Familien bedeute. Dabei gehe es natürlich auch um die symbolische Bedeutung. Schlachter: "Dass Regenbogenfamilien noch immer nicht dieselben Möglichkeiten haben wie heterosexuelle Paare und dass die Kinder nicht ehelich sein dürfen, zeigt, dass unsere Familien noch immer als Familien zweiter Klasse angesehen werden."

Regenbogenfamilien in Schul- und Kinderbücher

Der Verein Famos betreibt weiter Lobbying für gleiche Rechte. Es fehle nach wie vor auch an gesellschaftlicher Präsenz. "Das Thema Familienvielfalt und Regenbogenfamilien muss dringend in die Grundausbildung aller PädagogInnen und aller Berufsbilder, die mit Familien zu tun haben und Regenbogenfamilien müssen in Schul- und Kinderbücher. Nur so haben wir eine Chance, dass wir in Zukunft in einer Gesellschaft leben, in der alle Familienformen als gleichwertig empfunden werden und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung keinen Platz mehr hat."

Wien sei in seinem Bestreben, zur Regenbogenhauptstadt zu werden, wie es im Regierungsübereinkommen von 2015 formuliert wurde, vorbildhaft und auf einem guten Weg, meint Schlachter. Außerhalb Wiens würden aber noch größere Vorurteile und noch mehr Unwissen bei den Behörden herrschen. "Auch dort ist es dringend notwendig, dass es Anlaufstellen für Regenbogenfamilien gibt", betont die Vereinsobfrau. Zwar ist der Verein bundesweit tätig, die Beratungsgespräche aber fanden bisher telefonisch oder per E-Mail statt. Zudem sind alle Vereinsmitglieder in Wien ansässig und arbeiten seit fünf Jahren ehrenamtlich. "Wir sind dabei, uns von einem Selbsthilfeverein zu professionalisieren", sagt Schlachter. In Kürze soll es dafür auch die eigenen vier Wände geben. (Christine Tragler, 16.6.2016)