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Wenn Tabletten (hier im Symbolbild) verabreicht werden, die beispielsweise gegen nächtliche Unruhe helfen sollen, obwohl keine psychische Erkrankung vorliegt, handelt es sich um eine meldepflichtige Beschränkung.

foto: dpa/hiekel

Salzburg – Zum Stichtag 31. Dezember 2015 waren in den österreichischen Heimen 13.288 Personen von freiheitsbe- und -einschränkenden Maßnahmen betroffen. Über das gesamte Jahr 2015 gerechnet wurden über 27.000 Freiheitsbeschränkungen gemeldet. Die Tendenz sei leicht steigend, erklärte die Bereichsleiterin im Vertretungsnetz – Bewohnervertretung, Susanne Jaquemar, am Rande einer Fachtagung zu "Gewalt in Pflege- und Betreuungseinrichtungen" in Salzburg.

Die Bewohnervertretung ist laut Heimaufenthaltsgesetz seit 2005 für die Vertretung von knapp 70.000 Bewohnern von Alten-, Jugend- oder Behindertenheimen in Österreich zuständig. Freiheitsbeschränkungen – durch Gitter oder Gurte, mittels elektronischer Sperren oder durch Medikamente – sind meldepflichtig. In strittigen Fällen entscheiden die Gerichte.

Nachtruhe gewährleisten

Dass die Fallzahlen steigen, bedeute nicht automatisch, dass es insgesamt zu mehr Freiheitsbeschränkungen komme, sagt Jaquemar im STANDARD-Gespräch. Der Anstieg sei auch auf eine höhere Meldemoral zurückzuführen. Allerdings beobachte man eine Zunahme der Einschränkungen durch Psychopharmaka. Dabei handelt es sich um Medikamente, die beispielsweise den Bewegungsdrang dämpfen oder die Heimbewohner vorsorglich sedieren, um einen geregelten Ablauf einer Nacht zu gewährleisten.

Neben der Bewohnervertretung kümmert sich auch die Volksanwaltschaft im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle um die Rechte der Heimbewohner. Sechs regional gegliederte Kommissionen haben seit 2012 über 2.000 unangemeldete Besuche in Unterbringungseinrichtungen absolviert. Die Kommissionen haben umfassende Einsichtsrechte und führen auch anonyme Gespräche mit den Bewohnern.

Abendessen am Nachmittag

Die von Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) in Salzburg vorgelegte Bilanz ist für die Heimträger wenig schmeichelhaft. Die Beschwerden reichen von abgeschalteten Rufglocken über sprachliche Herabwürdigungen und Zwang zu Einheitsfrisuren bis zur Essenseingabe am Toilettenstuhl.

Besonders häufig litten die Senioren in den Heimen an den Zeitabläufen. Oftmals orientierten sich diese – Abendessen bereits am Nachmittag, Schlafenszeit am frühen Abend – an den zeitlichen Erfordernissen des Heimablaufes und nicht an den Bedürfnissen der Bewohner. Für Kräuter eine Form von struktureller Gewalt. Wobei Kräuter betont, dass sich die Kritik nicht gegen das Personal richte. In erster Linie handle es sich um strukturelle Probleme und mangelnde Ressourcen. Heimträger wie Politik würden freilich reflexartig von einer Attacke auf die Bediensteten sprechen.

Die Bestätigung für Kräuters Ansage folgte am Mittwoch kurz nach seinem Referat bei der Salzburger Tagung in Form einer Aussendung der Salzburger ÖVP. Titel: "Keine Pauschalverurteilung des Pflegeberufes". (Thomas Neuhold, 16.6.2016)