Foto: Uni Zürich

Hard/Zürich – Bereits mehrfach war der aus Vorarlberg stammende Ökonom Ernst Fehr als Nobelpreiskandidat im Gespräch – die begehrte Auszeichnung erhalten hat der Professor für Mikroökonomik und Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich noch nicht. Dafür sicherte er seiner Hochschule u.a. eine 100-Millionen-Franken-Spende der Schweizer Großbank UBS. Am Dienstag (21.6.) wird Fehr 60 Jahre alt.

In den Wirtschaftswissenschaften gilt der gebürtige Harder als einer der "Totengräber des homo oeconomicus", also jenes stets rational und egoistisch handelnden Modells der neoklassischen Wirtschaftstheorie. Fehr gilt stattdessen als Vorreiter der Verhaltens- und Neuroökonomie, der mit seinen Experimenten nachwies, dass Menschen je nach Bedingung auch auf Fairness setzen. Das geht sogar so weit, dass sie – wenn sie sich unfair behandelt fühlen – Entscheidungen treffen, die für sie objektiv nachteilig sind.

Früher beim "Roten Börsenkrach"

Dieser Ansatz ging wiederum anderen Wissenschaftern zu weit: "Es war nie das Ziel von Ökonomen, ihre Modelle mit Menschen aus Fleisch und Blut zu bevölkern", schrieb etwa der ebenfalls aus Österreich stammende Princeton-Forscher Wolfgang Pesendorfer in einer Streitschrift.

Dabei teilen sich die beiden eine studentische Vergangenheit beim "Roten Börsenkrach": Nach Volks- und Hauptschule in Hörbranz sowie der Handelsakademie in Bregenz kam Fehr 1975 zum Volkswirtschaftslehre(VWL)-Studium an die Universität Wien. Dort schloss er sich der legendären Basisgruppe an, die sowohl die Wirtschaftswissenschaften wie auch die Gesellschaft verbessern wollte.

Als Doktorand wurde Fehr Assistent beim damaligen VWL-Professor und künftigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen an der Uni Wien. Nach Stationen am Institut für Höhere Studien/IHS), der Technischen Universität (TU) Wien und der London School of Economics wurde er schließlich 1994 auf seinen heutigen Lehrstuhl an der Uni Zürich berufen.

Zahlreiche Offerte

Dieser Professur blieb Fehr bis heute treu – obwohl es zahlreiche Offerte für einen Wechsel an Institutionen wie Berkeley, Princeton, Oxford oder Cambridge gegeben hat. Stattdessen nutzte der Forscher solche Angebote, um mit Erfolg mehr Geld für sein Institut in Zürich herauszuschlagen. So konnte er etwa seinen Ansatz, Elemente der Psychologie und Neurologie in die Wirtschaftswissenschaften zu bringen und seine Hypothesen durch groß angelegte Experimente zu überprüfen, realisieren.

Den finanziell größten Brocken holte sich Fehr 2012 mit der 100-Millionen-Franken-Spende der UBS. "Ich wusste, dass die UBS Geld für die Bildung ausgeben wollte, um nach ihrer staatlichen Errettung einen Beitrag an die Gesellschaft zurückzugeben. Also bin ich auf die Bank zugegangen und habe ein Konzept geschrieben", schilderte er vor kurzem in einem Interview mit dem "Tagesanzeiger".

Verträge mit UBS offengelegt

Kritik an einer möglichen Beeinflussung der Forschung musste die Uni nach längerem Widerstand mit der Offenlegung der Verträge mit UBS begegnen. Fehr veröffentlichte trotz der Bankenspende eine viel beachtete Studie, laut der die Unternehmenskultur in Banken implizit unehrliches Verhalten begünstigt.

Dass Fehr, der von 1993 bis 2006 das Ludwig Boltzmann Institut für Wachstumsforschung in Wien leitete, heute in diversen Rankings zu den forschungsstärksten Ökonomen zählt, liegt auch an seinem großzügig ausgestatteten Forschungslabor, in dem jährlich rund 5.000 Probanden an Experimenten teilnehmen, durch die menschliches Verhalten bei ökonomischen Fragestellungen untersucht werden. Mittels Gehirnscanner fand er etwa eine Hirnregion, die die Neigung zu altruistischem Verhalten bzw. Einhaltung sozialer Normen steuert.

Weniger Risiko mit Elektroschocks

Bei einem weiteren Experiment ließ er die Teilnehmer zu mehreren Zeitpunkten zwischen einer riskanten, potenziell ertragreichen und einer sicheren, weniger riskanten Investition wählen. Bei einem Teil kam noch die Möglichkeit dazu, bei der Entscheidung einen unangenehmen Elektroschock zu erhalten, der aber kausal nichts mit Ertrag oder Risiko zu tun hatte. Resultat: Die Probanden trafen weniger riskante Entscheidungen.

Neben seiner Forschungstätigkeit betreibt der Vater zweier Kinder mit seinem Bruder eine Beratungsgesellschaft. (APA, 15.6.2016)