Gegen Schwarz-Weiß-Malereien in der Waffendebatte: Othmar Karas

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Angesichts der jüngsten Terroranschläge in den USA und in Frankreich startete der EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz am Dienstag mit einer Trauerminute in den Tag. Doch gleich darauf wurde in dem Brüsseler Gremium mit dem sperrigen Titel erneut der Vorstoß der EU-Kommission von November, nach dem Gemetzel im Pariser Club Bataclan, bei dem drei Jihadisten mit Kalaschnikows 89 Menschen ermordet hatten, von einigen Seiten hinterfragt.

Seitdem würden Jean-Claude Juncker und Co EU-weit nämlich am liebsten den Verkauf und Erwerb fast aller halbautomatischen Langwaffen verbieten. Doch nun sieht sich die EU-Kommission vom EU-Parlament bereits mit 847 Abänderungsanträgen zu ihrer restriktiveren Feuerwaffen-Richtlinie konfrontiert – und allein 15 davon stammen von Othmar Karas, EU-Delegationsleiter der ÖVP, sonst als liberaler Vorzeigemandatar der Bürgerlichen bekannt. Per Newsletter zerpflückte Karas letzte Woche die Kommissionspläne als "vorschnell", dazu seien "keine Folgeabschätzungen" getätigt worden. "Traditionsvereine, Jäger, Sportschützen, Museen und Sammler dürfen nicht kriminalisiert werden!", verlangte Karas da in seinem Rundschreiben. Dazu konstatierte er: "Österreich hat ein bewährtes Waffengesetz."

Keine Kriminalisierung erwünscht

Doch mittlerweile hat in Orlando wieder ein bekennender IS-Terrorist mit einem kurz davor erstandenen Sturmgewehr, dem AR-15, zugeschlagen – und in einem Homosexuellen-Club 50 Menschen umgebracht. Bis dato kann auch hierzulande jeder Inhaber einer Waffenbesitzkarte derartige Halbautomatische legal erstehen, illegal ist das freilich wohl noch leichter möglich. Ob Karas angesichts der jüngsten Massaker nicht umgedacht habe?

Der ÖVP-Mann in Brüssel hält im STANDARD-Gespräch fest: "Das Waffenrecht in der EU ist viel restriktiver und daher die Situation nicht vergleichbar. Legale Waffenbesitzer in Europa dürfen nicht kriminalisiert werden." Man dürfe jetzt nicht "das Kind mit dem Bad ausschütten", und überhaupt, sei er in der Debatte "gegen Schwarz-Weiß-Malereien". Vielmehr gelte es nun, eine breite Mehrheit im EU-Parlament und eine Einigung mit dem Rat der Innenminister (der sich derzeit übrigens dafür starkmacht, dass halbautomatische Gewehre nur mehr mit elf Schuss Munition bestückt werden können) sowie der EU-Kommission zu finden – "um für eine Richtlinie zu sorgen, die sicherstellt, dass niemand, der eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, in Europa eine Waffe besitzen darf". Etwa mit restriktiven Prüfungen vor Online-Verkäufen oder medizinischen Tests, wenn es die EU-Mitgliedsstaaten wünschen.

Unangebrachte Vorwürfe

Bloß: Selbst der Terrorist von Orlando wurde mehrmals polizeilich einvernommen – ohne, dass die Behörden seine Tat voraussehen konnten. Karas versichert, hier freilich auf eine verschärfte europäische Gangart zu drängen, damit bei solchen Personen etwa ein Waffenentzug leichter möglich werde. Von den Mutmaßungen der nicht wenigen empörten Waffenbesitzer, dass die EU angesichts von Terrorgefahr und Flüchtlingskrise gar ihre Bürger entwaffnen wolle, hält Karas aber nichts. Der ÖVP-Delegationsleiter dazu kurz und bündig: "Solche Vorwürfe sind unangebracht."

Eine Anfrage der Grünen an das Innenressort ergab, dass bis Ende 2015 in Österreich 914.450 Schusswaffen registriert waren, davon 368.538 halbautomatische beziehungsweise Faustfeuerwaffen. Freilich nicht in dieser Statistik: der illegale Besitz, der landesweit auf bis zu 1,85 Millionen Stück geschätzt wird. (Nina Weißensteiner, 15.6.2016)