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Boatengs großer Auftritt in Minute 36. Der Verteidiger schlägt den Ball gerade noch vor der Linie weg. Joachim Löw wird später sagen: "Es ist gut, wenn man einen Jérôme als Nachbarn hat in der Abwehr."

Foto: reuters/tessier

Lille – Natürlich war der Weltmeister am Ende besser, das 2:0 drückt den Unterschied zur Ukraine wohl auch korrekt aus. Weltmeisterlich präsentierte sich das Team des Joachim Löw zum EM-Auftakt gegen die Ukraine allerdings nicht. Und hätten sie den Jérôme Boateng nicht, von dem der AfD-Vize Alexander Gauland unlängst gemeint hatte, niemand in Deutschland wolle neben dem wohnen – wer weiß?

Jetzt hat dieser Gauland zum Schaden, sich so präsentiert zu haben, wie er halt ist, auch den Spott. Selbst Joachim Löw, der das Spiel phasenweise erleidende Coach, erklärte voll Süffisanz, "es ist gut, wenn man einen Jérôme als Nachbarn hat in der Abwehr". Und das Netz, heißt es von jenen, die sich tatsächlich zu orientieren verstehen im Netz, überschlägt sich geradezu. Der "eingesprungene Jérôme" geht, wie es heißt, viral. Boateng ist nun endgültig der Deutschen liebster Nachbar.

Artistische Einlage

Dabei war Boatengs artistische Einlage in der 36. Minute eigentlich ein Schwächezeichen einer instabilen deutschen Mannschaft. Der Innenverteidiger musste sich in höchster Not in einen an Goalie Manuel Neuer schon vorbeigesegelten Stangler werfen, der Ball sprang von Boateng Richtung Tor, aber irgendwie durch Zauberhand oder Zauberfuß wurde es nicht das 1:1 – sondern ein Kunststück. "Ich war selbst erschrocken", sagt der Zauberer, "der Ball kam mit vollem Tempo aus der anderen Richtung. Ich musste ihn irgendwie wegschlagen und bin im Netz gelandet. Zum Glück hat es noch geklappt."

Deutschland war zu dieser Zeit – der nachnominierte Linksverteidiger Shkodran Mustafi hatte in der 19. Minute per Kopf für die Führung gesorgt – ganz ordentlich unter Druck. Manuel Neuer – der Nachbar von Boateng gewissermaßen – war das Um und Auf eines ansonsten durchaus verunsicherten Teams, das, könnte Boateng nicht zaubern – wer weiß?

Deutschland wäre freilich nicht Deutschland, hätte es die unrunden Dinge auf sich beruhen lassen. Nach der Pause zeigten sich Joachim Löws Männer von ihrer verwaltungstechnisch besten Seite. Die ukrainische Zeitung Fakty i kommentarii schrieb, fast ein wenig neidisch: "In der zweiten Hälfte kontrollierte Deutschland, sie machten fast keine Fehler. Dann kam Routinier Schweinsteiger und machte alles klar."

Zweite Pointe

Das war dann die zweite Pointe eines nicht besonders großen Spiels, bei dem die Ukrainer sich mehr oder weniger ergaben. In der 90. Minute kam der so lange lädiert gewesene Bastian Schwein-steiger – und schoss das 2:0. "Ein Schweinsteiger ist Gold wert", sagt Löw mit am Ende doch ruhigerem Blick Richtung Polen. "Von der Spielanlage her sind diese ein bisschen ähnlich der Ukraine." Die in der zweiten Halbzeit – mag sein – von den Deutschen schon als Blaupause genommen wurden fürs Polen-Match am Donnerstag.

Am Ende, so der einstige Schweizer Nationalcoach und vor allem ausgewiesene Deutschlandkenner Ottmar Hitzfeld, wird es sein wie so oft schon: "Die deutsche Mannschaft wird ins Finale marschieren. Weil sie das beste Team und die besten Einzelspieler hat." (sid, wei, 13.6. 2016)