Meredith Artley, Chefredakteurin von CNN Digital Worldwide.

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STANDARD: Wie viele Ihrer Journalisten arbeiten digital?

Artley: Es gibt mehrere hundert Journalisten, die allein für CNN Digital arbeiten, und noch einige hundert mehr, die zu digitalen Inhalten beitragen. Reporter auf der ganzen Welt arbeiten sowohl für das Fernsehen als auch digital. Storytelling auf mehreren Plattformen ist unser Herzstück.

STANDARD: Medien experimentieren mit digitalem Storytelling. Was ist das "nächste große Ding"?

Artley: Video-Storytelling wird immer vielfältiger – virtuelle Realität, 360-Grad-Videos und Livevideos über Plattformen wie Facebook bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten. Bei CNN geht das von großen Experimenten mit virtueller Realität, was sehr viel Zeit und Leute benötigt, bis zu kleineren Bemühungen, täglich Videos für Mobile zu produzieren. Die sind kurz und können ohne Ton verstanden werden.

STANDARD: Es gibt einen großen Hype um virtuelle Realität im Journalismus. Wie genau nutzt es CNN, oder wird das überschätzt?

Artley: Viel experimentieren ist die Devise für CNN. Wir waren die Ersten, die ein Nachrichtenevent live gestreamt haben – nämlich die demokratische US-Präsidentendebatte im Oktober. Wir haben auch ein 360-Grad-Video-Storytelling rund um einen Raketenstart von Space X gemacht. Der Slogan von CNN ist "Go there", und mit virtueller Realität haben wir die Möglichkeit, die Nutzer wortwörtlich "dorthin" zu bekommen.

STANDARD: Sollten Medienunternehmen dem Publikum überallhin folgen, oder gibt es Plattformen, die für CNN nicht sinnvoll sind?

Artley: Medienunternehmen müssen herausfinden, welches Publikum und welche Umgebung ihnen dabei helfen, ihre strategischen Ziele zu erreichen. Ohne Strategie sollten sie dem Publikum nicht überallhin folgen.

STANDARD: Sehr viele Medienleute kritisieren, dass Unternehmen die Kontrolle über ihren Inhalt verlieren, wenn sie auf Plattformen wie Facebook mit "Instant Articles" vertreten sind.

Artley: Herausgeber haben ein riesiges Maß an Kontrolle. Sie bestimmen, welche Storys wie gemacht werden, welche journalistischen Perspektiven sie einnehmen und in welchen Formaten Geschichten erzählt werden. Hierzu zählen etwa Videos, Tonaufnahmen, Texte, Grafiken für eine Vielzahl von Plattformen. Sie müssen sich Gedanken darüber machen, wer das gewünschte Publikum ist und wie man eine Geschichte über verschiedene Plattformen, Geräte und Bildschirme aller Größen verbreitet.

STANDARD: CNN hat eine "Story first"-Strategie. Was bedeutet das für Ihre Journalisten?

Artley: Es bedeutet, dass die Story wortwörtlich an erster Stelle steht. Wir denken nicht zuerst an die Plattform, sondern sprechen jeden Morgen aufs Neue über die wichtigen Geschichten, die entscheidenden Standpunkte und die Herangehensweisen. Dabei möchten wir offensichtliche und weniger offensichtliche Fragen analysieren. Als Nächstes wird darüber diskutiert, wie wir diese Geschichte im Fernsehen, auf unserer mobilen Seite und App, auf unserer Desktopseite, in unseren sozialen Netzwerken et cetera erzählen. Es ist wichtig, zuerst mit der Story zu beginnen und dann die Logistik zu erledigen.

STANDARD: Mobil ist eine große Herausforderung für den Journalismus. Welches Storytelling funktioniert? Eine Art Teaser-Journalismus?

Artley: Ich würde den mobilen Journalismus nicht als Herausforderung bezeichnen, sondern ihn eine Chance nennen. Es ist der Ort, wo sich die Mehrheit unserer Rezipienten aufhält und wo unser Business schnell wächst. Wir achten darauf, zuerst mobil zu denken, und sorgen dafür, dass all unser Storytelling in unseren Apps und Seiten für die mobile Nutzung optimiert ist.

STANDARD: Manchmal wird Vice als das CNN der jüngeren Generation bezeichnet. Wird CNN diesen Konkurrenzkampf verlieren?

Artley: CNN ist der Goldstandard für Nachrichten weltweit. Wir nutzen keine zynischen oder albernen Methoden, um unsere Nachrichten zu transportieren. Unser Publikum kennt und vertraut uns wie keinem anderen Nachrichtenmedium. (Oliver Mark, Sarah Dorfstätter, 14.6.2016)