Märchenhafter Abend für Bastian Schweinsteiger: lange verletzt, spät eingewechselt, noch später getroffen.

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Lille – Ganz ohne Randale im Vorfeld kam auch die Auftaktpartie des Weltmeisters in Lille nicht aus. Deutsche Hooligans hatten ukrainische Fans im Zentrum der nordfranzösischen Stadt attackiert, bis zum Anpfiff im Stade Pierre-Mauroy hatte sich die Situation beruhigt – nach spätem, dann aber ziemlich beherztem Zugriff der Sicherheitskräfte.

Beherzt, natürlich gewaltfrei, wollten es auch die ukrainischen Fußballer angehen. Das Resultat war die bisher beste Hälfte des Turniers. Schon nach vier Minuten zielte Sevillas Star Jewgeni Konopljanka ins Herz der Deutschen, doch Goalie und Kapitän Manuel Neuer zeigte eine Glanzparade gegen den Schuss aus rund 16 Metern. In dieser Situation war die gesamte deutsche Abwehr, inklusive der Verlegenheitslösungen Benedikt Höwedes und Shkodran Mustafi, indisponiert. Darüber hinaus wirkten die Ukrainer zunächst in der Offensive munterer als die Weltmeister.

Ausgerechnet Mustafi von Valencia, zunächst von Bundestrainer Joachim Löw aussortiert, dann aber nach der Verletzung von Marco Reus nachnominiert, gelang nach einem fragwürdigen Freistoß von Toni Kroos ein wunderbarer Kopfball und also im elften Länderspiel der erste Treffer (19.). Sami Khedira hätte die Führung dann ausbauen können (29.), scheiterte nach Vorlage von Kroos aber an Torhüter Andrej Pjatow. Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings auch Neuer schon ein weiteres Mal seine Klasse unter Beweis stellen müssen – bei einem Schuss von Jewgeni Chatscheridi riss er garade noch die Faust hoch und lenkte den Ball über die Latte (27.).

Noch eine Spur artistischer war die Rettungstat von Jérôme Boateng, der zehn Minuten später sein eigenes Eigentor verhinderte. Im Rückwärtsfallen schlug der Abwehrchef den Ball vor der Torlinie weg. Spätestens da war klar, dass mit diesen Ukrainern, denen zudem ein Treffer wegen Abseits von Referee Mark Clattenburg zurecht aberkannt wurde, nicht zu spaßen war.

Das spielerische Übergewicht der Deutschen zeitigte nach Seitenwechsel relativ wenige große Gelegenheiten. Ein Schuss von Khedira wurde ebenso zu Pjatows Beute (61.) wie Versuche des eher schwachen Mario Götze (75.) und von Thomas Müller (76.). Den Eindruck der Gefährlichkeiten legten die Ukrainer nie ab, allerdings wurden die Gegenstöße seltener. Nachdem auch Mesut Özil Pjatow nicht bezwingen konnte (87.), sorgte ein Missverständnis der deutschen Matchwinner für Schüttelfrost beim Weltmeister.

Mustafi probierte sich mit einer Rückgabe per Kopf, Neuer rettete aber äußerst rustikal gegen den eingewechselten Jewhen Selesnjow. Schiedsrichter Clattenburg, ohnehin sehr großzügig, drückte zumindest ein Auge zu. Coach Löw brachte noch seinen etatmäßigen Kapitän Bastian Schweinsteiger zur Beruhigung der Situation auf das Feld. Und ausgerechnet der lange verletzt gewesene Routinier von Manchester United schloss den Sack – mit seinem 24. Tor im 116. Länderspiel. Alles Bemühen der Ukrainer war mit dem Auftritt des 31-Jährigen vergebens gewesen. (lü, 12.6.2016)

EM-Gruppe C, 1. Runde, Sonntag

Deutschland – Ukraine 2:0 (1:0)
Lille, Stade Pierre Mauroy, SR Martin Atkinson (ENG)

Tore:
1:0 (19.) Mustafi
2:0 (90.+2) Schweinsteiger

Deutschland: Neuer – Höwedes, Boateng, Mustafi, Hector – Khedira, Kroos – Müller, Özil, Draxler (78. Schürrle) – Götze (90. Schweinsteiger)

Ukraine: Pjatow – Fedezki, Chatscheridi, Rakizki, Schewtschuk – Sidortschuk, Stepanenko – Jarmolenko, Kowalenko (74. Sintschenko), Konopljanka – Sosulja (66. Selesnew)

Gelbe Karte: Konopljanka