Der Chef des Stahlbauers Waagner-Biro, Thomas Jost.

Foto: Trevor Palin

Waagner-Biro baut für das Louvre genannte Museum in Abu Dhabi einen Dom – eine Art Eingangshalle in einer offenen Kuppelkonstruktion.

Foto: Waagner-Biro

Wien – Wenn Thomas Jost in seinem Büro im Wiener Saturn Tower nächst dem Donauturm die jüngsten Auftragseingänge durchgeht, kann er sich nicht über einen Mangel an prestigeträchtigen Projekten beklagen. Zuletzt hat die von ihm geleitete Waagner-Biro einen Revitalisierungsauftrag für die Oper in Sydney – 40 Jahre nach deren Eröffnung – an Land gezogen. Lieferwert: mehr als zehn Millionen Euro.

Das ist keine Seltenheit für ein Unternehmen, das seit 162 Jahren spektakuläre Fassaden wie die Kuppel des Berliner Reichstags oder den internationalen Terminal in Baku, Brücken und eben Bühnen errichtet. Zwar ist Waagner-Biro ein österreichischer Traditionsbetrieb, produziert wird aber schon lange nicht mehr im Inland. Dennoch sind 280 von insgesamt 1.400 Mitarbeitern in Österreich beschäftigt, hauptsächlich in der Holding und im Technikbereich.

Technologien aktiv nutzen

Das macht Jost, der den von der Liaunig-Gruppe und ihm kontrollierten Konzern seit drei Jahren führt, nicht nur Freude. Er sorgt sich um den Standort. "Wir leben von der Substanz", behauptet er im Gespräch mit dem STANDARD. Investiert würde in Österreich immer weniger, was auf die Produktivität drücke. Die Gesinnung werde zunehmend wirtschaftsfeindlich, lautet die Einschätzung von Jost. Das lasse sich auch am Beispiel Automatisierung erkennen. Technologische Entwicklungen sollten jedoch offensiv angegangen werden, um über den Export Arbeitsplätze im Inland zu schaffen.

Auch die vielen kleinen und großen Hürden für Unternehmen machen Jost zu schaffen. Das Steuerrecht sei "ein Wahnsinn", vom Arbeitsrecht würden Betriebe "zu Tode administriert". Die Inspektoren versuchten sogar, Arbeitszeiten bei Entsendungen von Technikern im Ausland zu kontrollieren.

Nachfrage nach qualifizierten Leuten groß

Waagner-Biro zahle gut, allein schon, weil die Nachfrage nach qualifizierten Ingenieuren groß sei. "Da wird niemand über den Tisch gezogen, weil man schauen muss, dass gute Leute bleiben." Dafür verlange man von den Mitarbeitern Flexibilität. Die hätten damit kein Problem, die Arbeitsinspektoren aber schon, findet Jost. Auch die Kollektivverträge deckten die Anforderungen nicht mehr ab. Der Konzernchef meint, dass es nicht mehr zeitgemäß sei, wenn Firmen wie Waagner-Biro und Voestalpine mit völlig unterschiedlichen Aktivitäten den gleichen Tarif anwenden müssen. "Bei den Kollektivverträgen bietet sogar Deutschland mehr Tariffreiheit als Österreich", erklärt Jost.

Auch das Engagement von internationalen Fachkräften gestalte sich schwierig. In der Türkei gebe es beispielsweise international tätige, bestens ausgebildete Bauingenieure. Bis man diese Fachkräfte nach Österreich bringe, dauere es wegen der immensen Bürokratie aber neun Monate, bringt Jost ein weiteres Beispiel. Selbst innerhalb der EU seien die vielfältigen Anmeldungen und Nachweise viel zu aufwendig, kritisiert er.

Die Hoffnungsschimmer nach den ersten Aussagen von Neokanzler Christian Kern sind bei Jost auch schon wieder verflogen. "Die angekündigte Standortsicherung wird mit Maschinensteuer, Vermögenssteuer und Arbeitszeitverkürzung sicher nicht gelingen. Ich bin über diese Aussagen von Kern sehr überrascht", meint der 45-jährige Manager.

Viele Großbaustellen

Wirtschaftlich bewegt sich Waagner-Biro in einem schwierigen Marktumfeld. Projektverzögerungen wie bei der Berliner Staatsoper oder dem Louvre Abu Dhabi sind für das Unternehmen schmerzhaft. Im vergangenen Geschäftsjahr wurde bei einem Umsatz von 250 Millionen Euro ein Gewinn von 8,5 Millionen Euro erwirtschaftet. "Heuer wird das Ergebnis hoffentlich etwas besser", meint Jost. (Andreas Schnauder, 13.6.2016)