Luxemburg/Brüssel – Die für Mitte des Jahres geplante deutliche Ausweitung der Reisefreiheit für Partnerländer der EU in Osteuropa wird sich verzögern. Darauf haben sich die Innenminister der EU bei ihrem Treffen am Freitag in Luxemburg verständigt, obwohl die Kommission in einzelnen Fällen die Bedingungen erfüllt sieht.

Vier Länder sollen die Visafreiheit bekommen: Neben der Türkei sind das die Ukraine, Georgien und das Kosovo. Bei dem kleinen Balkanland wie auch in Georgien erheben Länder Einwände wegen Problemen beziehungsweise Garantien zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Eine ursprünglich geplante "Paketlösung" wackelt wegen der zunehmenden Spannungen mit der Türkei auch zum EU-Türkei-Pakt zur Migration.

Wie berichtet, hatten Aussagen des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan zuletzt für einen Eklat gesorgt, wonach türkischstämmige deutsche Abgeordnete, die im Bundestag für eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern gestimmt hatten, "unreines Blut" hätten und als verlängerter Arm der kurdischen PKK dienten. Bei den EU-Innenministern spielte diese Affäre zwar keine Rolle, aber es zeigte sich, dass es in Sachen Beziehungen zur Türkei Auffassungsunterschiede gibt.

Deutschland will umsiedeln

Die deutsche Regierung, die den Türkeipakt im März mit Druck durchgesetzt hatte, betonte in Luxemburg, dass sich Ankara an die Vereinbarungen zur Eindämmung der illegalen Migration hielte. Nur noch 50 Flüchtlinge kämen im Schnitt pro Tag über die Ägäis nach Griechenland. Allerdings gibt es nur wenige reguläre Umsiedlungen in EU-Staaten. Deutschland will nun 3.000 Flüchtlinge aus Krisenländern umsiedeln, 9.000 aus Griechenland und Italien. Die große Mehrheit der Staaten hält sich hingegen zurück.

Bei den Ministern gab es nur Aussprachen zu Migrationsthemen, aber keine Entscheidungen, so auch zu dem von Kommission und niederländischer Ratspräsidentschaft forcierten Ausbau der Küstenwache zum besseren Schutz der EU-Außengrenze.

Sobotka schaltet EU-Kommission ein

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat unterdessen im Streit mit Ungarn um die Rückführung sogenannter Dublin-Flüchtlinge die EU-Kommission eingeschaltet. Er habe diesbezüglich mit EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos gesprochen, sagte Sobotka in Luxemburg.

Infolge eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom September 2015 schiebt Österreich aktuell keine Asylwerber nach Ungarn zurück. Das will die Regierung nun ändern. Ungarn hatte zuletzt jedoch immer wieder betont, dass es keine Flüchtlinge zurücknehmen werde.

Auf den jüngsten Vorstoß von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) für eine Flüchtlingspolitik nach dem Vorbild Australiens angesprochen sagte Sobotka, es habe allgemeine Gespräche darüber im Kontext der geplanten "Migrationspartnerschaften" mit afrikanischen Ländern gegeben. "Ein Land allein kann diese Probleme nicht schultern. Schön langsam ist diese Erkenntnis auch in der Gesamtheit der Europäischen Union durchgedrungen". Die Bereitschaft der EU-Staaten und die Beurteilungen seien aber unterschiedlich, letztlich gehe es auch Geld in die Hand zu nehmen. (Thomas Mayer, APA, 10.6.2016)