Wien – Die Wiener suchen nach wie vor häufig die Hilfe der Volksanwaltschaft: Im Jahr 2015 wurden 1.157 Anfragen verzeichnet (2014: 1.176). Die meisten Beschwerden bezogen sich auf die Jugendwohlfahrt und die Mindestsicherung, hieß es bei einer Pressekonferenz am Freitag. Kritik übte Volksanwalt Peter Fichtenbauer (FPÖ) vor allem an der langen Dauer von Staatsbürgerschaftsverfahren.

Sogenannte Verleihungswerber für die Staatsbürgerschaft haben einen grundsätzlichen Anspruch, dass über ihren Antrag nach sechs Monaten entschieden wird. Die zuständige MA 35 missachte seit Jahren ihre Verpflichtung, Verfahren binnen angemessener Frist abzuschließen, so Fichtenbauer. "Es gibt Fälle, in denen Beamte im Laufe eines halben Jahres nicht einmal den Akt aufgemacht haben", kritisierte er. Schlüssige Erklärungen für die lange Verfahrensdauer gebe es vonseiten der MA 35 nicht.

1111 Fälle abgeschlossen

Insgesamt schloss die Volksanwaltschaft im vergangenen Jahr 1.111 Prüffälle in Wien ab. In 151 Fällen stellte sie einen Missstand in der Verwaltung fest, das sind sechs Prozent der Fälle. Insgesamt absolvierten die Kommissionen der Volksanwaltschaft 501 Einsätze in ganz Österreich. 176 Einsätze wurden in Wien durchgeführt. Der Schwerpunkt in Wien lag auf Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sowie auf Alten- und Pflegeheimen.

Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) wies erneut auf die "Versorgungsdefizite" bei psychisch erkrankten Jugendlichen hin. Es sei "ein eklatanter Missstand", dass Kinder und Jugendliche immer wieder zu Aufenthalten in der Erwachsenenpsychiatrie gezwungen seien.

Auch das Vorgehen von Polizeibeamten bei Abschiebungen, Demonstrationen und anderen Polizeieinsätzen beobachtete die Volksanwaltschaft. "Im Jahr 2015 ist das Verhalten der Polizei in Summe als positiv zu bewerten", sagte Fichtenbauer. Bei Demonstrationen habe die Polizei auf offene Kommunikation und Deeskalierungstaktiken gesetzt.

Mehr Mittel für Haftanstalten gefordert

Volksanwältin Gertrude Brinek (ÖVP) kritisierte die Haftbedingungen in der Justizanstalt Josefstadt. "Das vermehrte Aufgreifen von Schleppern wirkt sich auch auf die Justizanstalten aus", sagte Brinek: "Wir haben dort einen Überbelag und dadurch viel zu hohe Einschlusszeiten." Sie erwarte sich mehr Mittel für die Haftanstalten.

Einmal mehr forderte die Volksanwaltschaft eine Ausweitung ihrer Prüfkompetenzen, so wie sie der Rechnungshof besitzt. "Wir haben nach wie vor kein Mandat für eine Prüftätigkeit ausgegliederter Rechtsträger", kritisierte Fichtenbauer. (APA, 10.6.2016)