Reinhold Lopatka hat es geschafft: Der Klubobmann der ÖVP hat die SPÖ über den Tisch gezogen und seinen Parteichef Reinhold Mitterlehner gleich mit. Oder Mitterlehner hat Lopatka gewähren lassen. Dann zeigt das einmal mehr, wie viel bzw. wenig Mitterlehner (noch) zu sagen hat in der ÖVP. Beide Varianten sind für das innerparteiliche Standing des Vizekanzlers nicht förderlich.

Es ging nicht nur um die Rechnungshof-Personalie, sondern um viel mehr – wer geglaubt hat, dass zumindest in diesem Fall Qualifikation zählt und nicht der Parteihintergrund, weiß jetzt: Es hat sich gar nichts geändert. Nicht in diesem Land und auch nicht innerhalb dieser Koalition, die vor drei Wochen einen Neustart beschworen hat – den Lopatka von Anfang an torpediert hat. Die Schwüre von "Wir haben verstanden" (Christian Kern) bis zu "Ich will" (Mitterlehner) waren offenkundig nicht ernst gemeint. Die Koalitionäre arbeiten gegen- und nicht miteinander.

Der langjährige Sektionschef Gerhard Steger war auch nach Einschätzung von Oppositionsvertretern und Journalisten der eindeutig beste Kandidat, der mit Sachkenntnis beeindruckte. Es konnte sich auch jede Bürgerin und jeder Bürger selbst ein Bild machen, denn es gab erstmals ein Hearing – im derStandard.at-Livebericht konnte man alle Auftritte verfolgen. Entschieden wurde aber hinter verschlossenen Türen.

Stegers Manko war, dass er zwar die richtige Person ist, aber von der falschen Partei. Ein Genosse durfte es nach dem Willen von Lopatka nicht werden, der der SPÖ eins auswischen wollte. Er hat mit Helga Berger, die in den Büros von Jörg Haider und Susanne Riess-Passer gearbeitet hat, sogar eine für die FPÖ wählbare Kandidatin ins Rennen geschickt und die SPÖ damit erpresst. So stimmten die roten Mandatare dann doch lieber der schwarzen Kandidatin Margit Kraker zu. "Weil der Beste keine Mehrheit hatte, haben wir uns für die Zweitbeste entschieden", versuchte Klubchef Andreas Schieder den roten Umfaller zu erklären.

Für Lopatka mag es ein taktischer Sieg sein, aber erkauft um den Preis der Glaubwürdigkeit. Aber dass er das auch noch als Frauenförderung verkauft, ist perfide. Denn darum ging es ihm nicht, sondern um reine Machtspielchen, für die er Frauen einsetzte.

Kraker ist damit beschädigt, noch ehe sie ihren Job in Wien angetreten hat. Die jetzige Chefin des steirischen Rechnungshofes ist qualifiziert, sie legte im Hearing einen soliden, aber glanzlosen Auftritt hin. Aber dass sie durch die Tricksereien ihres Landsmannes in diese Position gehievt wurde und wegen ihrer 13-jährigen Tätigkeit im Büro des nunmehrigen Landeshauptmannes Hermann Schützenhöfer als prononcierte ÖVP-Kandidatin gilt, ist für sie eine Hypothek. Allerdings hat sich auch Josef Moser in seiner Tätigkeit den Ruf eines unabhängigen Kontrollors erarbeitet.

Im August steht die nächste Wahl an, die angeblich schon gelaufen ist: Alexander Wrabetz kann sich berechtigte Hoffnungen machen, dass die ÖVP nicht zum zweiten Mal die Kraftprobe sucht und Finanzdirektor Richard Grasl ins Rennen um den Chefposten schickt. Seit Wochen wird bereits gefeilscht, Parteien werden Postenbesetzungen versprochen. Hier geht es um die Unabhängigkeit des ORF, der nach wie vor im Würgegriff der Parteien ist.

Trotz des angekündigten neuen Stils bleibt alles beim Alten: bei Packelei und Parteibuchwirtschaft. (Alexandra Föderl-Schmid, 9.6.2016)