Der Welser Sender WT1.

Foto: Screenshot / WT1

Wels/Wien – Ein Fernsehsender verkauft Parteien "Wahlpakete" mit Kandidatenporträts und "Werbeberichten" in seinem regulären Informationsprogramm, die er nicht als bezahlt kennzeichnet. Das verletzt das Gesetz, hat jedoch eine innere Logik: Weder die zuständige Redaktion noch der Verkaufsleiter können nämlich – bis auf zwei Ausnahmen – sagen, welche Berichte nun "Werbeberichte" waren und welche nicht.

Ein oberösterreichischer Regionalsender liefert vor der Medienbehörde KommAustria ein kleines, aber anschauliches Fallbeispiel sehr österreichischer Verhältnisse zwischen Buchung und Berichterstattung.

Die Liste "Wels soll die schönste Stadt Österreichs werden" brachte die Wahlberichterstattung des Welser Regionalsenders WT1 zur Gemeinderatswahl 2015 vor die Medienbehörde. Ihr Vorwurf, grob zusammengefasst: In der recht üppigen Wahlberichterstattung des Privatsenders seien nur jene Parteien vorgekommen, die "Wahlpakete" gebucht hätten.

Die Medienbehörde fragte nach, beim Sender, beim Chefredakteur und dem Verkaufsleiter von WT1, ein Schwesterkanal des Linzer LT1. Ergebnis: eine lange Liste von Gesetzesverletzungen – zu viele Werbeunterbrechungen, nicht gekennzeichnetes Sponsoring sind die Leichtgewichte.

"Diametraler Widerspruch"

Der zentrale Befund der Medienbehörde geht weit tiefer: "Die KommAustria geht nicht nur davon aus, dass eine derart ,verkaufte' politische Berichterstattung mit dem Grundsatz der redaktionellen Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters unvereinbar ist. Darüber hinaus stehen derartige Geschäftspraktiken in einem diametralen Widerspruch zur Funktion der Massenmedien in einer demokratischen Gesellschaft. Nicht nur wurden im gegebenen Fall scheinbar redaktionelle (politische) mit einer tatsächlich redaktionellen Berichterstattung für den Zuseher unerkennbar vermischt, sondern fanden Teile der Berichterstattung über einzelne wahlwerbende Parteien nachweislich nur dann statt, wenn diese gleichzeitig Sponsoring erbracht hatten.

Dass weder der für den Verkauf der ,Wahlpakete' verantwortliche Key-Account-Manager noch der Chefredakteur angeben können, bei welchen Berichten es sich um beauftragte Werbeberichte oder aber um ,freie' redaktionelle Berichte handelt, verdeutlicht die vollständige Vermischung von Nachrichten und werblichen Elementen."

WT1- und LT1-Eigentümer Dieter Holzhey wird gegen die Entscheidung nicht vorgehen: "Wir akzeptieren die Entscheidung der Behörde", sagt Holzhey auf STANDARD-Anfrage. Sein Fazit: Die KommAustria habe Verstöße gegen Werbebestimmungen festgestellt. Man werde die Vorgaben künftig "auf Punkt und Beistrich" erfüllen.

Die Vorwürfe im Detail

  • Werbebuchungen oder andere Zahlungen dürfen laut Gesetz die redaktionelle Unabhängigkeit nicht "beeinträchtigen". Hier aber konnte die Redaktion nicht frei entscheiden, ob sie berichtet, ergab die Befragung der WT1-Mitarbeiter. Der Chefredakteur erklärte laut Behördenentscheid, Vertreter der Verkaufsabteilung hätten "regelmäßig an Redaktionssitzungen teilgenommen und die Redaktion zur Gestaltung und Ausstrahlung von Berichten bewegt". Die Medienbehörde: "Die redaktionelle Unabhängigkeit besteht nicht nur in der Freiheit, wie über ein Ereignis berichtet wird. Auch die Entscheidung, ob über ein Ereignis berichtet wird, steht einer unabhängigen Redaktion frei." Ein "Wahlpaket" abzuschließen, gab Parteien laut KommAustria aber "die Gewissheit, dass die gewünschten Berichte im Programm ausgestrahlt würden." Die Medienbehörde: "Eine Beeinträchtigung der redaktionellen Unabhängigkeit durch das Sponsoring der politischen Parteien liegt daher zweifelsfrei vor." Auch wenn die Redaktion nach Auskunft der Sendervertrer über die inhaltliche Gestaltung entscheiden konnte.

  • Die Möglichkeit dürfte die Redaktion nicht allzu beherzt genützt haben: Im Ermittlungsverfahren war es Chefredakteur wie Sendermanager laut Behörde "nicht möglich" zu bestimmen, welche der Berichte in sechs Wochensendungen vor der Wahl gesponsert waren – mit nur zwei Ausnahmen. Die Medienbehörde geht von durchwegs gesponserten Berichten aus – die allesamt das Verbot gesponserter Berichte in Nachrichtensendungen verletzten.

  • Die Behörde sieht in den Wochensendungen von WT1 aufgrund von (auch) Infobeiträgen insgesamt eine Nachrichtensendung – womit auch Sponsorings von Energieversorger, Einkaufszentrum und einer Bank das Sponsorigverbot für solche Sendungen verletzt hätten. Auch die Kooperation mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" bei den Wahlkonfrontationen sieht die Behörde als Sponsoring – und hier ebenfalls verbotenes.

  • TV-Porträts der (zahlenden) Spitzenkandidaten in der Sendung wiederum seien weder ausreichend als Werbung gekennzeichnet noch genügend vom Programm getrennt worden.

  • Dass WT1 zwei der Sendungen zu häufig für Werbung unterbrochen hat, verstößt laut Behörde ebenfalls gegen das Gesetz.

"Nur bei Abschluss Paket"

Einen zentralen Vorwurf der Liste "Wels soll die schönste Stadt Österreichs werden" sah die Behörde durch Aussagen der WT1-Vertreter glaubwürdig widerlegt: Die Wahlpakete mit ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos-Förderern hätten nicht über die Einladung zu den Wahlkonfrontationen – mit ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos – entschieden.

  • Auch wenn in den Paketen (jedenfalls in der dokumentierten Vereinbarung mit den Grünen) diese Sätze stehen: "Darüberhinaus sind die Spitzenkandidaten eingeladen an einer Diskussionsrunde (Runder Tisch, ca. 1 Woche vor der Wahl) teilzunehmen. (bei Abschluss Paket)." Und: Sollte es wieder Sommergespräche mit den Spitzenkandidaten geben (Juli/August 2015), so werden auch da die Spitzenkandidaten dazu eingeladen (Länge min. 10 Minuten). (nur bei Abschluss Paket)." (fid, 9.6.2016)