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Der Erirtreer soll auch die Überfahrt geplant haben, bei der im Oktober 2013 über 300 Flüchtlinge vor Lampedusa starben.

Foto: EPA/Lannino

Er war der meistgesuchte mutmaßliche Schlepper Afrikas. Am späten Dienstagabend ist Mered Yehdego Medhanie nach Italien ausgeflogen worden, nachdem er am 24. Mai im Sudan verhaftet worden war. An seiner Festsetzung waren sudanesische, italienische und britische Geheimdienste und Sicherheitskräfte beteiligt gewesen. Der "General", wie der 35-Jährige aus Eritrea von seinen Komplizen ehrfürchtig genannt wird, ist nun in Rom in Haft. Den Haftbefehl hatte die Staatsanwaltschaft von Palermo ausgestellt, die dem Schlepper seit mehr als zwei Jahren auf der Spur gewesen war und dabei seine Mobiltelefone abgehört hatte. Haftbefehle lagen auch aus zahlreichen anderen Ländern vor.

Italien hat zwar allein schon in diesem Jahr Dutzende von Schleppern verhaftet, dabei handelte es sich aber fast ausschließlich um "kleine Fische", nämlich um die Bootsführer, die in der Hierarchie der Menschenhändler an der untersten Stelle figurieren. Mit Medhanie ist nun erstmals einer der angeblichen Organisatoren der Schleppermafia ins Netz gegangen: Der Eritreer soll in mehreren afrikanischen, arabischen und europäischen Staaten ein weitverzweigtes Netz von Komplizen gehabt haben.

Tausende Überfahrten

Medhanie hat im Laufe der letzten Jahre vermutlich für Zehntausende von Flüchtlingen die Reise über das Mittelmeer nach Italien organisiert. "Ich habe dieses Jahr sehr gut gearbeitet und habe schon 7000 bis 8000 von der libyschen Küste losfahren lassen", erklärte der Schlepperkönig im Juli 2014 in einem abgehörten Telefonat. Wie viele Migranten bei den von ihm organisierten lebensgefährlichen Reisen ums Leben gekommen sind, ist nicht bekannt. Die britische National Crime Agency geht davon aus, dass der Eritreer unter anderem jene Überfahrt organisiert hatte, bei welcher im Oktober 2013 vor Lampedusa mehr als dreihundert Flüchtlinge verbrannt oder ertrunken waren.

Die Dramen haben den Schlepper nicht groß gekümmert. "Man sagt, ich packe immer zu viele Menschen auf die Boote", sagte Medhanie lachend in einem abgehörten Telefongespräch. "Aber es sind ja die Flüchtlinge, die sofort losfahren wollen."

Tausende Euro

Laut Erkenntnissen der italienischen Polizei betrug der "Tarif" Medhanies 4000 bis 5000 Euro; in diesem Betrag war die Passage durch die libysche Wüste inbegriffen. Gelegentlich habe er seine "Kunden" auch aus libyschen Gefängnissen freigekauft; auch libysche Beamte hatten sich bereichert. Das Schmiergeld an die Gefängniswärter soll den Migranten von Medhanie in Rechnung gestellt worden sein.

Medhanie, der mit einer in Schweden lebenden Eritreerin verheiratet ist, hat mit seinem einträglichen Geschäft im Laufe der Jahre vermutlich Millionen verdient. Im Sudan war er laut Angaben der italienischen Behörden in einer gepanzerten Limousine unterwegs. In einem abgehörten Telefonat riet ihm ein Komplize, in Europa nicht mit Geld um sich zu werfen, weil dies auffallen würde. In Italien droht dem Schlepper nun eine langjährige Gefängnisstrafe. (Dominik Straub aus Rom, 8.6.2016)