Auf dem Papier schaut der Plan der EU-Kommission gut aus, nord- und schwarzafrikanische Staaten durch Zuckerbrot und Peitsche zur Kooperation bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu bewegen. Schließlich hat der größte Wirtschaftsblock der Welt zahlreiche Hebel gegenüber diesen armen Ländern.

Aber die Chancen auf Verwirklichung sind gering. Konditionalität – die Verknüpfung von Hilfsgeldern mit einem gewünschten Verhalten – hat schon bei Finanzhilfen und der Entwicklungszusammenarbeit fast nie funktioniert. Regierungen lassen sich halt mit Druckmitteln ungern zu einer Politik zwingen, die sie nicht mittragen. Und angesichts dieser Hindernisse ist es auch schwierig, innerhalb der Union Einigkeit zu schaffen. Weder werden die Mittel für Milliardeninvestitionen aufzutreiben sein, noch ist es vorstellbar, dass die EU Exporte aus Äthiopien mit Zöllen belegt, wenn es mit der Rückführung von abgelehnten Asylwerbern nicht klappt.

Der neue Plan dürfte daher das Schicksal vieler anderer EU-Initiativen in der Flüchtlingskrise erleiden. Die Zwangsaufteilung von Asylwerbern aus Griechenland und Italien auf alle EU-Staaten, ein gemeinsames Asylwesen oder die effektive Kontrolle der Schengen-Außengrenzen – all das ging nie über Entwürfe hinaus oder wurde nicht umgesetzt. Bei aller verständlichen Sehnsucht nach einer großen europäischen Flüchtlingslösung: Bei dieser Herausforderung bleiben die Mitgliedsstaaten mehr oder weniger auf sich allein gestellt.

Undurchführbarer Kurz-Plan

Dies gilt auch für den jüngsten Vorstoß von Außenminister Sebastian Kurz. Egal, ob man seinen Ansatz für vernünftig oder menschenverachtend hält – und angesichts tausender Ertrunkener im Mittelmeer ist eine Abkehr von der jetzigen Praxis dringend notwendig –, ist der Inselplan undurchführbar. Österreich verfügt weder über Küsten noch Inseln, und die anderen EU-Staaten werden keiner Version des "australischen Modells" zustimmen.

Aber der Kurz-Plan hat einen zweiten Teil, der in der öffentlichen Aufregung bisher weniger Beachtung fand. Der Außenminister möchte nicht nur den illegalen Zustrom stoppen, sondern auch zwischen 10.000 und 15.000 Flüchtlinge direkt aus der Region aufnehmen. Hier sollte man Kurz und seine ÖVP beim Wort nehmen: Für ein solches Resettlement-Programm braucht Österreich nicht die Mithilfe anderer Staaten. Bereits im Sommer könnte die Regierung beginnen, 2.000 syrische Flüchtlinge im Monat direkt aus türkischen Lagern aufzunehmen, wie es das UN-Flüchtlingshochkommissariat schon lange fordert.

Im Gegenzug könnte der Innenminister die Notstandsverordnung jetzt in Kraft setzen – und nicht erst, wenn die Obergrenze von 37.500 Asylanträgen erreicht wird. Auch das kann Österreich eigenständig entscheiden; es braucht dafür bloß den Konsens in der Koalition. Und um die Umsetzung der Notstandsverordnung kommt die Regierung ohnehin nicht herum, wenn sie gegenüber den Bürgern glaubwürdig bleiben will. Selbst die derzeit so umstrittene Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber wird einfacher, wenn Behörden die Flüchtlinge auswählen und nicht die Schlepper.

Man soll die Hoffnung, dass sich die EU doch noch zum geschlossenen Handeln aufrafft, nicht aufgeben. Aber bis dahin müssen betroffene Staaten wie Österreich selbst einen konsensfähigen und sinnvollen Kurs abseits aller politischen Spielchen finden. (Eric Frey, 7.6.2016)