Für den Transport von Pflanzenschutzmitteln gelten strikte Regeln.

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Wien – Österreich gehört entbürokratisiert. So lautet eine der wenigen Forderungen, auf die sich fast alle Ökonomen des Landes verständigen können. Wer die Wirtschaft entfesseln will, muss die Vorschriften verschlanken, verlangen die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS regelmäßig.

Am Dienstag bekamen sie prominente Unterstützung. Rechnungshofpräsident Josef Moser trat in Wien mit Interessenvertretern der Landwirtschaft und der Hotellerie vor die Presse, um eine Beseitigung von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung zu fordern. Überregelung hindere heimische Unternehmen daran, ihr Potenzial zu entfalten und bremse sie bei der Wettbewerbsfähigkeit, so Moser und die übrigen Experten.

Weil es inzwischen so viele Regelungen zu beachten gilt, wären viele junge Leute nicht mehr bereit, ein Unternehmen zu gründen, sagte Günter Stummvoll, der die Plattform für Leistung und Eigentum leitet, die zu dem Medientermin geladen hatte.

Komplizierte Praxis

Die Experten hatten eine Reihe von Beispielen für die Bürokratiewut parat. Dabei zeigte sich aber, dass der Ruf nach einer Verschlankung der Regeln gut klingt, die Sache in der Praxis aber kompliziert wird.

Felix Montecuccoli, der Präsident der Land- & Forst-Betriebe Österreichs, nannte als eine Regelung, die das Leben der Landwirte schwer machen, die Vorschriften für den Transport von Pflanzenschutzmitteln. Eine Privatperson könne Unkrautvernichter im Baumarkt kaufen und nach Hause bringen. Landwirte dagegen müssten die gleiche Substanz in speziellen Behältern transportieren und gesonderte Schulungen ablegen, damit sie die Mittel überhaupt befördern dürfen. Dafür brauchen sie eine eigene Berechtigungskarte. All das sei aufwändig und teuer, so Montecuccoli.

DER STANDARD wollte der Sache nachgehen und hat bei der Landwirtschaftskammer nachgefragt. Ein Fachreferent erteilt dort die Auskunft, dass die von Montecuccoli beklagten Regeln gar nicht auf einer österreichischen Vorgabe beruhen. Österreich hat das seit 1957 geltende Europäische Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße so wie 47 andere Staaten unterzeichnet. Die Regelungen sind also überall gleich. Das Abkommen wurde erarbeitet, um Unfälle mit gefährlichen Chemikalien, die für Mensch und Umwelt fatal wären, zu vermeiden. Spezielle Regeln für Landwirte gebe es nicht. Auch sie können Pflanzenschutzmittel für den Eigengarten im Baumarkt kaufen und ohne weitere Auflagen mitnehmen. Die strengen Vorschriften würden nur bei professionell eingesetzten Chemikalien greifen.

Laut Landwirtschaftskammer wird derzeit daran gearbeitet, eine Ausnahme zu erwirken, damit künftig auch Landwirte kleine Mengen von Pflanzenschutzmitteln für ihre Felder einfacher befördern können. Aber selbst, wenn damit das Leben mancher Bauern einfacher wird. Die neuen Ausnahmen werden das Gesetz nicht schlanker, sondern noch umfangreicher machen.

Komplexität bei den Hoteliers

Ein anderes interessantes Beispiel für komplexe Regelungen kam von Michaela Reitterer, der Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Sie beklagte, dass für Hotelbetriebe unübersichtlich sei, wann sie Zusatzdienstleistungen wie Massagen anbieten dürfen. So gilt, dass Hotels keinen Gewerbeschein benötigen, wenn sie Massagen nur für ihre Hotelgäste auf eigene Rechnung in kleinem Rahmen anbieten. Anders ist das, wenn sie auch Kunden von außen akzeptieren. Wozu solche komplexen Regeln?

Bei der Wirtschaftskammer Salzburg argumentiert man, dass der Beruf des Masseurs eine fachgerechte Ausbildung erfordere. In der Vergangenheit haben Hotels öfter auf weniger qualifiziertes, aber billiges Personal gesetzt und damit den Masseuren die Kunden streitig gemacht. Um der nicht unberechtigten Kritik aus der Branche Rechnung zu tragen, wurden die Gesetze geändert – daher die komplexen Regelungen. Hotelierexperten aus Vorarlberg fügen hinzu, dass manche Regeln kompliziert sind, weil die Verwaltung versucht, effizienter zu arbeiten. Wenn ein Masseur als Selbstständiger seine Dienste in einem Hotel anbietet, muss er dafür zahlen, wenn ihm in der Herberge die Wäsche gewaschen wird. Tut er das nicht, erkennt die Gebietskrankenkasse die Selbständigkeit nicht an – und verlangt Sozialabgaben nach.

Diese Vorschriften werden streng vollzogen, seitdem die Krankenkassen darauf achten, keine Verluste zu schreiben, sagt Wolfgang Juri, Tourismusexperte der WKO in Vorarlberg. Die Regeln seien kompliziert, aber letztlich habe alles "ein Für und Wider". (András Szigetvari, 8.6.2016)