Im Mai gelangte bei Sotheby’s in New York zeitgenössische Kunst u.a. von Cy Twombly und Francis Bacon zur Versteigerung. Die USA hat keine Folgerechtsbestimmungen, Künstler und deren Nachfahren sind nicht an Verkaufserlösen beteiligt.

Foto: Sotheby's

Wien – Der Mythos von Künstlern, die am Existenzminimum leben, während der Handel mit ihren Werken das große Geld verdient, war ein von Befürwortern des Folgerechts (droit de suite) gerne ins Treffen geführter. Tatsächlich entsprach er schon im Vorfeld der 2001 von der Europäischen Union erlassenen Richtlinie einem anachronistischen Klischee.

Forciert wurde die Verabschiedung von Ländern mit wie Deutschland und Frankreich, in denen diese Regelung bereits bestand. Sie sahen sich im Wettbewerb mit Nationen ohne vergleichbare Bestimmungen benachteiligt und setzten eine Vereinheitlichung durch.

Seither erhalten lebende Künstler oder bis zu 70 Jahre nach deren Tod die Rechtsnachfolger eine bei jedem Verkauf eines Kunstwerkes anfallende Folgerechtsgebühr: Ab einem bestimmen, von den Ländern unterschiedlich festgelegten Schwellenwert sind es bis zu einem Verkaufspreis von netto 50.000 Euro vier Prozent, gestaffelt bis zu 500.000 Euro. Der Maximalprofit wurde gesetzlich mit 12.500 Euro je Kunstwerk und Besitzerwechsel festgelegt.

Sekundärmarkt betroffen

Unter diese Regelung fallen nur Originale (z. B. Gemälde, Aquarelle, Skulpturen), nicht jedoch Serielles (z. B. Grafiken). Ausgenommen davon sind Erstverkäufe in Galerien oder Ateliers ebenso wie nicht dokumentierbare Privatverkäufe.

Betroffen ist damit ausschließlich der Sekundärmarkt: Die Auktionsbranche, die diese "Tantiemen" zusätzlich zum Aufgeld auf das Meistbot aufschlagen und damit explizit dem Käufer verrechnen. Stärker ist der Kunsthandel belastet, da der abzuführende Prozentsatz eher die Gewinnspanne reduziert und man oftmals doppelt zur Kasse gebeten wird: sowohl beim Einkauf (Auktion, von privat) als auch beim Verkauf (an privat).

Die Bilanz 15 Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie? Entgegen der Annahme der Brüsseler Beamten, wonach gut 50 Prozent der Schaffenden und ihrer Nachfahren die Nutznießer wären, ist es tatsächlich nur das Establishment im Vergleich zum gesamten Marktvolumen einer absoluten Minorität.

Weiters profitieren weniger Lebende, als deren Rechtsnachfolger, da rund 80 Prozent der Verkäufe erst nach dem Tod des Künstlers erfolgen. Die größten Profiteure des Folgerechts sind demnach die Erben, wie aus einem aktuellen Bericht des Schweizer Bundesrates hervorgeht.

Schweiz bleibt beim Nein

Anders als die 28 EU-Staaten hatte sich die Schweiz 1992 klar gegen eine Einführung ausgesprochen. Eine Entscheidung, die der Berufsverband visuelle Kunst und der Berner Ständerat Werner Luginbühl Ende 2013 zur Diskussion stellten. Die Forderung: Der Bundesrat soll in einem Bericht darlegen, wie sich die Verankerung des Folgerechts im Schweizer Urheberrecht und eine Umsetzung bewerkstelligen ließe.

Mitte Mai fiel die Entscheidung: Es bleibt, wie es ist. Der Bundesrat verzichtet auf die Einführung, "da die angestrebten Ziele einer breiten individuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Besserstellung der Kunstschaffenden nicht erreicht werden können". Der vorgelegte Bericht stützt sich auf Erfahrungswerte und Statistiken der EU-Staaten, die eindeutig belegen, dass der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.

In Großbritannien leben etwa 52.000 bildende Künstler, von denen jährlich durchschnittlich nur 600 oder 1,1 Prozent eine Vergütung erhalten. In Österreich liegt der Wert bei lebenden Künstlern bei etwa zwei Prozent. Im EU-Schnitt wirft das Folgerecht für vier von fünf lebenden Künstlern jährlich weniger als 1500 Euro ab. Der wirtschaftliche Effekt ist folglich minimal.

Eine Erkenntnis, die zuletzt zugehörige Diskussionen an den beiden größten Kunsthandelsplätzen beendeten. Konkret in China, wo es 2012 zu einer Gesetzesvorlage kam, sowie in den USA, wo sich im Vorjahr ein Kongressabgeordneter dafür engagierte – vergeblich. Neben Zweifeln an positiven Effekten für Kunstschaffende, überwogen Bedenken punkto Konsequenzen für die Marktentwicklung.

Es gilt die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und eine Verlagerung des Handels in Länder ohne Folgerecht zu verhindern, der nicht ohne Effekt auf den Arbeitsmarkt bliebe. Ein Argument, das auch der Schweizer Bundesrat ins Kalkül zog. (Olga Kronsteiner, 11.6.2016)