Es ist nicht Reinhold Mitterlehner, der in der ÖVP als Gegenpol zu SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern angesehen wird, sondern Sebastian Kurz, auf dem auch die Hoffnungen für die Zukunft ruhen. In den vergangenen Tagen wurde viel darüber spekuliert, ob Außenminister Kurz gezielt einen Aufstand gegen den gemeinsamen Kurs von Kern und Mitterlehner anführe – was aus der Umgebung von Kurz massiv dementiert wurde.

Tatsächlich gibt es in der ÖVP eine kleine, recht überschaubare Gruppe von Funktionären, die in einem kurz- oder mittelfristigen Bruch der Koalition das Heil der ÖVP sehen. Die meisten Landeschefs gehören aber nicht dieser Gruppe an, sie wollen in Ruhe ihre Landtagswahlen schlagen (2017 wird in Niederösterreich, Kärnten, Vorarlberg und Tirol gewählt) und sehen den Fortbestand der großen Koalition eher als willkommenen Reibebaum als als Hindernis für ein gutes Abschneiden an.

Lopatka, ein Mann kämpft allein

Reinhold Lopatka, Klubobmann der ÖVP im Parlament, ist seine eigene Gruppe. Der als geschickter Stratege geltende Steirer probt derzeit seinen Aufstand im Parlament, wo er eine Mehrheit für eine Rechnungshofkandidatin gegen die SPÖ zu schmieden versucht. Wieweit Lopatka auf eigene Faust oder mit Duldung von Parteichef Mitterlehner handelt, lässt sich nicht immer leicht sagen. Seine Vernetzung in die Landesparteien ist aber eher dünn gespannt.

Kurz' Machtübernahme hat noch Zeit

Ein Intimus von Kurz ist der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, der mit seinen Rundumschlägen gegen Kanzler Kern aber eher seine eigene Wahrnehmung in der Öffentlichkeit als eine ausgefeilte Gesamtstrategie der Partei im Kopf hat. Ein echtes Komplott zum Sturz von Kern (und in der Folge wohl auch von Mitterlehner) scheint es nicht zu geben. Auch Kurz hat noch Zeit, er feiert im August erst seinen 30. Geburtstag, da bleibt noch Zeit für die Machtübernahme. (völ)

(völ, 6.6.2016)