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Jacob Appelbaum sieht sich mit zahlreichen Vorwürfen konfrontiert

Foto: APA/EPA/Pedersen

Das Tor-Projekt hat seinen prominentesten Sprecher verloren. Aktivist Jacob Appelbaum ist überraschend von seiner Funktion als Vorstandsmitglied zurückgetreten. Nach zahlreichen Anfragen räumte das Tor-Projekt ein, dass sich Appelbaum wegen zahlreicher Missbrauchsvorwürfe zurückgezogen habe. Er dürfte mit seinem Rücktritt einem offiziellen Rausschmiss zuvorgekommen sein. Die Vorwürfe sind nicht bestätigt, der Datenschützer hat sich selbst noch nicht dazu geäußert.

Schock

Appelbaum gilt als einer der einflussreichsten Aktivisten, was netzpolitische Agenden betrifft. Er hat mit Wikileaks und Edward Snowden zusammengearbeitet und ist regelmäßig Gast auf netzpolitischen Konferenzen. Er war Botschafter der Wiener Künstlergruppe Monochrom, für die er 2006 "Artist in Residence" im Wiener Museumsquartier war. Immer wieder warb Appelbaum für das Tor-Projekt, das etwa einen anonymisierenden Browser bereitstellt. Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs in zahlreichen Formen schockierte am Samstag die Szene, die gespalten auf die Nachricht reagiert.

Zahlreiche Vorwürfe

Tatsächlich ist es ein schmaler Grat zwischen dem Eintreten für die mutmaßlichen Opfer und einer Vorverurteilung. Auf einer Webseite haben sich ein halbes Dutzend Betroffene zu Wort gemeldet, die Appelbaum sogar sexuelle Nötigung vorwerfen. Eine ehemalige Weggefährtin erzählt dort, dass sie davon aufgewacht sei, dass Appelbaum sie sexuell berührte. Eine Ex-Freundin berichtet, dass der Aktivist sie trotz ihrer klaren Ablehnung der Idee vor anderen Freundin sexuell berührt habe und sie dann Freunden "angeboten" habe.

Langjährige "Gerüchte"

Die Vorwürfe lassen sich nicht verifizieren, ob polizeiliche Ermittlungen eingeleitet wurden ist unklar. Appelbaum selbst hat auch noch keine Stellungnahme abgegeben. Allerdings schreibt das Tor-Projekt in einem Statement, dass diese Anschuldigungen "nicht komplett neu" für den Vorstand waren, sondern vielmehr "mit Gerüchten übereinstimmten, die wir schon lange gehört haben." Die Vorstandsmitglieder hätten daraufhin Kontakt mit mutmaßlichen Opfern Appelbaums aufgenommen und "intensive interne Diskussionen" geführt.

Solidarität mit Assange

Das Tor-Projekt empfiehlt Betroffenen, sich an die Polizei zu wenden. "Wir wissen, dass viele in der Community den Sicherheitskräften nicht unbedingt vertrauen. Wir bitten jene Menschen, sich an andere zu wenden, denen sie vertrauen", so Tor weiter. Appelbaum hatte zuvor wiederholt seine Unterstützung für Wikileaks-Gründer Julian Assange ausgesprochen, dem in Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen der Prozess gemacht wird. Assange wittert dahinter eine US-Verschwörung, er ist deshalb im Botschaftsexil und hält sich in der ecuadorianischen Botschaft in London auf. (fsc, 5.6.2016)