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Die Expräsidenten Bronislaw Komorowski und Aleksander Kwasniewski beim Freiheitsmarsch in Warschau.

Foto: Reuters/Kaminski

Warschau – Der nationalkonservative polnische Parteichef Jaroslaw Kaczynski hat den Regierungsgegnern "Rebellion" und dem Verfassungsgericht einen Bruch der Verfassung vorgeworfen. Sie wollten den Wählerwillen nach Veränderung nicht akzeptieren, sagte der Vorsitzende der mit absoluter Mehrheit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am Samstag auf einem Bezirksparteitag in Warschau.

"Wenn wir einen demokratischen Rechtsstaat haben sollen, dann darf kein Staatsorgan, darunter auch das Verfassungsgericht, Gesetze außer Acht lassen", sagte Kaczynski. "Wir haben es mit Rebellion zu tun."

Verfassungswidrige Reform

Das Verfassungsgericht hatte im März die umstrittene Justizreform der Warschauer Regierung für verfassungswidrig erklärt. Die Regierung erkennt das Urteil jedoch nicht an. Die EU-Kommission hat wegen des Gesetzes, das nach Ansicht von Kritikern das Verfassungsgericht lähmt, ein Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet.

Die polnische Opposition sowie die drei ehemaligen Präsidenten Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski haben für Samstag gemeinsam zu "Freiheitsmärschen" im ganzen Land aufgerufen.

"Freiheit, Gleichheit, Demokratie!"

Unter dem Motto "Alle für die Freiheit" haben tausende Menschen in Polen an den Jahrestag der teilweise freien Wahl im Jahr 1989 erinnert und zugleich gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung demonstriert.

In Warschau kamen mehr als 10.000 Menschen zu einem Marsch zusammen, zu dem die Oppositionsbewegung KOD und die drei ehemaligen Präsidenten Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski aufgerufen hatten. Während der einstige Arbeiterführer Walesa nicht auftrat, marschierten Komorowski und Kwasniewski gemeinsam in der ersten Reihe.

Immer wieder skandierten die versammelten Menschen: "Freiheit, Gleichheit, Demokratie!" Viele hatten nicht nur polnische Nationalfahnen, sondern auch Europafahnen mitgebracht.

"Das hat (der nationalkonservative Parteichef Jaroslaw) Kaczynski nicht erwartet: Dass die Menschen aufwachen für die Sache der Freiheit", sagte der ehemalige Bürgerrechtler und KOD-Mitgründer Krzysztof Lozinski. Er erinnerte daran, dass der Wandel in Europa 1989 nicht überall friedlich war: In Rumänien wurde Parteichef Nicolae Ceausescu getötet – "das war das Ergebnis dessen, dass er nicht mit der Gesellschaft reden wollte", mahnte Lozinski. "Wir wollen nicht, dass es in Polen einmal so endet."

Walesa, Kwasniewski und Komorowski richteten am Samstag auch einen gemeinsamen Appell an die Völker Europas, in dem sie zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufriefen. "Von den Straßen und Plätzen, auf denen einst (die unabhängige Gewerkschaft) Solidarnosc geboren wurde, rufen wir einmal mehr alle Europäer zur Solidarität auf", schrieben sie in ihrer gemeinsamen Botschaft. "Wir sprechen für Hunderttausende – freie polnische Bürger, die seit einem halben Jahr (seit Beginn der nationalkonservativen Regierung) auf den Straßen ihre Bindung an Demokratie, Recht und ein freies Europa demonstrieren." (APA, 4.6.2016)