Gotthold E. Lessing, Gemälde von Anton Graff um 1771.

Foto: Uni Leipzig

Wien – Zum Aufspüren von Toleranzgrenzen nimmt man derzeit bevorzugt Gotthold Ephraim Lessings Ringparabelstück zur Hand. Die Theaterspielpläne sind voll mit Adaptionen von Nathan der Weise, jenem Stück, das die Unverhandelbarkeit der Menschenwürde jenseits von Religionszugehörigkeit zum Inhalt hat.

Lehrreiches Spiel

Viele Jahre vor Entstehung dieses Ideendramas hat der maßgebliche Dichter der Aufklärung bereits ein Lustspiel gegen Diskriminierung und Vorurteile verfasst: Sein Stück Die Juden (1749) tritt erstmals in der deutschsprachigen Literatur der negativen Stigmatisierung von Menschen mosaischen Glaubens entgegen. Lessing treibt mit der Wortkombination "jüdische Straßenräuber" ein lehrreiches Spiel.

Es kommt zu mehrfachen Verkehrungen: Zwei Männer begehen, als "Juden" verkleidet, einen Überfall. Dieser misslingt, da ein zufällig des Weges kommender Reisender einschreitet. Als Dank lädt der verschonte Baron den Fremden als Gast in sein Haus. Dieser schützt den noblen Herren und seine Tochter daraufhin erneut vor einem Betrug. Denn wie sich herausstellt, stecken hinter den "jüdischen Straßenräubern" der hauseigene superchristliche Gutsverwalter und sein Freund. Der rechtschaffene Fremde bekennt indes, Jude zu sein.

Mit Kalkül

So weit die einfach gestrickte Parabel, die am Theater heute nur mehr selten aufgeführt wird. Das immanente kriminalistische Kalkül aber taugt gut für eine Hörspielfassung. ORF und NDR haben koproduziert: Michael Maertens nölt den beflissen handelnden Reisenden; Cornelius Obonya lässt als dessen korrupter Diener den vollen Wanst und das vorangegangene Besäufnis immer schön mittönen; Karl Markovics intoniert in raubeinigem Slang den Dieb, Peter Matic den weisen Baron.

Regisseur Leonhard Koppelmann gewährt den Sprechern (weiters: Brigitte Karner, Pippa Galli) viel Raum und findet auch den Mut, Atmosphäre ohne situationsnahe Geräuschkulisse zu erzeugen. (Margarete Affenzeller, 3.6. 2016)