Berlin/Wien – Europäische Polizeibehörden haben in jahrelangen gemeinsamen Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität aus Osteuropa 72 Banden zerschlagen, hunderte Verdächtige wurden verhaftet. Beteiligt waren tausende Ermittler aus 100 Polizeibehörden in 22 Ländern, wie das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) und das Berliner Landeskriminalamt (LKA) am Donnerstag berichteten.

Der von den Banden angerichtete Schaden dürfte deutlich im dreistelligen Millionenbereich liegen, hieß es in einer vorläufigen Bilanz. Es ging um organisierten Diebstahl vor allem von teuren Geländewagen, um Serien von Einbrüchen in Häuser und Wohnungen, um Ladendiebstähle, Raubüberfälle auf Juweliere, Passfälschungen und Menschenhandel bis hin zu Auftragsmorden. Die Polizei ermittelte fast 2.000 Verdächtige und nahm knapp 400 mutmaßliche Täter fest. Es gab zahlreiche Durchsuchungen in Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich, Italien, Portugal, Frankreich und Belgien.

Österreich beteiligt

Die Europäische Union förderte die Zusammenarbeit der Polizeibehörden als Projekt unter dem Titel Internal Security mit finanziellen Zuschüssen. Die Leitung dabei hatten die deutschen Polizeibehörden, die nun eine Bilanz der Aktionen zogen. Der Berliner LKA-Dezernatsleiter für organisierte Kriminalität, Dirk Jacob, sagte: "Dieses Projekt war europaweit bisher einzigartig. So etwas gab es noch nie. Und es war zukunftsweisend." Ein Antrag für ein ähnliches Projekt in den nächsten Jahren ist bereits gestellt. Ende 2016 fällt die Entscheidung, Anfang 2017 könnte dann das neue internationale Ermittlungsprojekt starten.

Österreich beteiligte sich an dem Projekt laut Silvia Strasser, Sprecherin des Bundeskriminalamts (BK), ebenfalls in größerem Umfang. Vor allem im Bereich der Einbruchskriminalität seien dabei zahlreiche Täter erwischt worden, genaue Zahlen dazu würden aber nicht vorliegen.

Professionelles Vorgehen

Die gemeinsamen Ermittlungen in den Bereichen russischsprachige Banden sowie internationale Kfz-Verschiebungen dauerten zweieinhalb Jahre. Die ermittelten Täter kamen vor allem aus Polen, Litauen und Russland, aber auch aus Georgien und Tschetschenien. Aufgeklärt wurden unter anderem die Diebstähle von 910 Autos und Lastwagen im Wert von mehr als 65 Millionen Euro. Teilweise waren die Fahrzeuge bis nach Zentralasien und in den Irak verschoben worden.

Das Vorgehen der Banden beschrieb Jacob so: "Die Tätergruppen werden zentral aus dem Ausland gesteuert und verfügen über eine hervorragende Logistik an den jeweiligen Handlungsorten, sind hochmobil und wechseln ihr Tätigkeitsfeld blitzschnell."

Gewalttaten

Die Täter benutzen demnach bei jedem Beutezug neue Handys mit neuen Telefonkarten und kommunizieren über verschiedene Messengerdienste. Sie setzen Hightechwerkzeug und Elektronik zum Umgehen der Wegfahrsperren ein und schrecken auch vor Gewalttaten nicht zurück. "Man hält sich im Besitz der Beute, koste es, was es wolle", sagte Jacob. Polizeisperren würden zur Not auch durchbrochen.

Die Leiterin einer Ermittlungsgruppe, Antje Krämer, berichtete von der Observation einer polnischen Autodiebesbande. Mit drei Autos seien die acht Männer und eine Frau eine Nacht lang durch Berlin gefahren. Fünf moderne Audis hätten sie nach und nach geknackt und vorerst stehenlassen, um sie später in der Nacht abzuholen und über die Grenze nach Polen zu fahren. Vorher schlugen aber die Observationsteams der Polizei zu und fassten die Täter. (APA, dpa, 2.6.2016)