Nach der Bluttat von Nenzing sind viele Fragen offen. Wie jene nach dem Motiv des Täters, der nach einem Rocker-Konzert in der Nacht zum 22. Mai zwei Menschen erschossen und zwölf weitere verletzt hat.

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Bregenz – Nach der Bluttat von Nenzing sind viele Fragen offen. Wie jene nach dem Motiv des 27-jährigen Täters, der nach einem Rocker-Konzert in der Nacht zum 22. Mai zwei Menschen erschossen und zwölf weitere verletzt hat. Eine Beziehungstat, wie in zahlreichen Medien kolportiert, war es nicht, sagt die Polizei. Auslöser für den Zorn des Mannes, der sich nach den Morden erschoss, könnte ein Streit mit seiner Freundin gewesen sein. Die Aggression richtete sich aber nicht gegen die Frau. Bevor S. in die Menge schoss, hatte er die Frau noch aus dem Schussfeld geholt.

Gregor S. war als mehrfach vorbestrafter Rechtsextremer amtsbekannt. Er gehörte dem Vorarlberger Ableger des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour an. Seit 2013 sei er nicht mehr in der Skinhead-Szene aktiv gewesen, heißt es in einer Polizeiaussendung: "Ein Zusammenhang zwischen seiner rechtsextremen Einstellung und seiner Tat konnte nicht festgestellt werden."

Aus der Szene verabschiedet

S. habe sich seit 2013 nicht mehr mit Mitgliedern von B & H getroffen, präzisierte Landespolizeidirektor Hans-Peter Ludescher im Rechtsausschuss des Landtags. Man beobachte die Szene, daraus ziehe man diese Schlüsse.

Den Grünen wiederum liegen andere Beobachtungen vor. S. habe noch Ende 2015 einschlägige Postings, beispielsweise von Holocaust-Leugnern, auf Facebook geteilt, sagt Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli. Die Grünen haben auch Hinweise, dass S. 2015 bei der Pegida-Demonstration in Bregenz, wo Mitglieder von B & H aufmarschierten, war.

Keine Antwort gibt es bis jetzt auch auf die Frage, woher Gregor S. die beiden Waffen, illegale Kriegsgeräte der Marke Zastava M 92, hatte. Gegen S. bestand seit 2004 ein Waffenverbot. Die Einhaltung solcher Verbote könne die Polizei nicht kontrollieren, dazu fehlten ihr die Befugnisse, sagte Ludescher im Rechtsausschuss des Landtags. Eine Ausweitung der Befugnisse, beispielsweise auf Hausdurchsuchungen, verlangen mittlerweile alle Landtagsparteien.

Waffenlager ausgehoben

"Offensichtlich ist die rechtsextreme Szene in Vorarlberg bestens vernetzt, gewaltbereit, zumindest zum Teil bewaffnet und brandgefährlich", warnt Grünen-Klubobmann Adi Gross und verweist auf weiteren illegalen Waffenbesitz.

Zu Fragen der Grünen, ob es Verbindungen zwischen Gregor S. und einem 27-jährigen Lustenauer gegeben habe, bei dem Anfang Mai ein illegales Waffenlager ausgehoben worden ist, hält sich die Polizei bedeckt: Man ermittle. Auch dieser Mann soll der rechten Szene angehören.

Grünen-Abgeordneter Karl Öllinger hegt Zweifel an der Aufmerksamkeit der Vorarlberger Polizei: "Der angeblich so gut überwachten Szene ist es zuletzt im März gelungen, an den Augen des Verfassungsschutzes vorbei ein Neonazi-Konzert in Vorarlberg mit Besuch eines Schießstandes zu organisieren." Wie ungarische B-&-H-Aktivisten vom Konzertbesuch schwärmten, ist auf der Website www.stopptdierechten.at nachzulesen.

Um Blood & Honour war es in den letzten Jahren in Vorarlberg ruhig geworden. Mit Randalen in Spielfeld und der Teilnahme an einer Kerzerl-Demo für Österreich gebe es deutliche Anzeichen, dass sich das Netzwerk neu formiert habe, schreibt die Plattform "Stoppt die Rechten". Der harte Kern des Neonazi-Netzwerks soll aus 15 Menschen bestehen, im Dunstkreis werden von Rechtsextremismusexperten bis zu 80 vermutet. (Jutta Berger, 2.6.2016)