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Der österreichische Gesetzgeber bringt die Waagschalen von Justitia aus dem Gleichgewicht, sagen heimische Rechtsanwälte.

Foto: dpa / Frank Rumpenhorst

Wien – Österreichs Gesetzgebung ist kein Ruhmesblatt – das sagt zumindest der heimische Rechtsanwaltskammertag (Örak), der am Donnerstag erstmals eine "Fieberkurve des Rechtsstaates" präsentiert hat. Grundlage dafür ist eine Umfrage, an der 107 Rechtsanwälte teilnahmen. 35 Prozent davon bezeichneten die Qualität der Gesetzgebung als "sehr schlecht", weitere 40 Prozent als "schlecht". Sieben von zehn sind der Meinung, dass es seit zehn Jahren mit der Qualität bergab gehe.

Die Mindestfrist für Begutachtungsverfahren werde zum Beispiel sehr häufig nicht beachtet. "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Politik hier versucht, Gesetze an der Zivilgesellschaft vorbeizuschummeln", kritisierte Örak-Präsident Rupert Wolff. Jüngstes Beispiel: Das neue Asylgesetz, für das ursprünglich überhaupt keine Begutachtung vorgesehen war und für das erst nach Protesten eine Minifirst von zehn Tagen eingeräumt worden war.

Fremden- und Asylrecht 13 Mal novelliert

Aber auch die zwei Wochen für eine Begutachtung des umfangreichen Steuerreformgesetzes 2015/16 sei viel zu kurz gewesen, heißt es im Wahrnehmungsbericht der Anwälte. Noch dazu sei das Ende der Frist auf einen Fenstertag gefallen – was de facto eine weitere Verkürzung der Kontrolle bedeutet habe.

Auch Nachhaltigkeit scheint für den Gesetzgeber (Ministerien legen vor, Nationalrat beschließt) ein Fremdwort. So wurde das Fremden- und Asylrecht in den vergangenen zehn Jahren 13 Mal novelliert.

Wolff fordert "Good Governance Rules", und der Bundespräsident sollte Gesetze nicht unterschreiben, wenn sie nicht entsprechend zustande gekommen seien. Eine angemessene Begutachtungsfrist seien sechs Wochen.

Mit der Strafgerichtsbarkeit sind nur die Hälfte der Befragten zufrieden. Kritisch sehen die Anwälte den steigenden Hang zum Überwachungsstaat, zum Beispiel mittels Bundestrojaner. Unglücklich sind sie mit der vom Justizministerium angepeilten Verlängerung der großen Kronzeugenregelung.

Amtsstunden für elektronischen Rechtsverkehr

Die Note "Sehr gut" in der Kategorie Bürgernaher Staat vergaben nur fünf von 107 Befragten. Als Negativbeispiel gibt der Örak etwa die Praxis des elektronischen Rechtsverkehrs an. Dieser sollte eigentlich ermöglichen, Schriftsätze oder Urkunden unabhängig von Behörden-Öffnungszeiten zu übermitteln. Doch der Verfassungsgerichtshof hat erst unlängst entschieden, dass die Amtsstunden (in der Regel 8 bis 15 Uhr) auch im E-Rechtsverkehr gelten.

Gut sind aus Sicht der Rechtsanwälte in Österreich: die Zivilgerichtsbarkeit, der geringe Einfluss von Korruption sowie Ordnung und Sicherheit. (simo, 2.6.2016)