Frage: Wie ist die Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai wirklich ausgegangen?

Antwort: Das Innenministerium hat am Mittwochnachmittag das endgültige Ergebnis festgestellt. Das Ergebnis wurde im Anschluss an die Sitzung der Bundeswahlbehörde auf der Amtstafel des Bundesministeriums für Inneres sowie im Internet verlautbart. Demnach gab es 6.382.507 Wahlberechtigte, 4.637.046 abgegebene Stimmen, von denen 164.875 ungültig waren. Von den gültigen Stimmen erhielt Norbert Hofer 2.220.654 (49,65 Prozent) und Alexander Van der Bellen 2.251.517 (50,35 Prozent). Alexander Van der Bellen gilt damit als mit der erforderlichen absoluten Mehrheit gewählt, sein Vorsprung ist aber gegenüber dem in der Vorwoche veröffentlichten Ergebnis auf 30.863 Stimmen geschrumpft.

Frage: Kann sich an diesem Ergebnis noch etwas ändern?

Antwort: Die Feststellung der Bundeswahlbehörde kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der "veröffentlichten Wahlvorschläge" innerhalb einer Woche beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden.

Frage: Können auch die Vertreter der Kandidaten aus dem ersten Wahlgang das Wahlergebnis anfechten?

Antwort: Ja, das wäre theoretisch möglich. Die Anfechtung müsste sich aber auf allfällige Unregelmäßigkeiten beziehen, die während des ersten Wahlgangs aufgetreten sind. Laut Innenministerium sind aber keine derartigen Verdachtsmomente bekannt geworden.

Frage: Wird die Wahl tatsächlich angefochten werden?

Antwort: Das war am Mittwoch nicht eindeutig klar. Der unterlegene freiheitliche Politiker Norbert Hofer hatte mehrfach angekündigt, dass er die Wahl nicht anfechten werde. Hofer ist aber nicht der Zustellungsbevollmächtigte – das ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Und Strache postete am Mittwochnachmittag auf Facebook: "Wahlschwindel ist kein Kavaliersdelikt! Wir werden daher alle rechtlich möglichen Schritte prüfen und einleiten! Demokratische Wahlen müssen korrekt ablaufen und gesichert sein!"

Frage: Was würde im Fall einer Wahlanfechtung passieren?

Antwort: Wird die Wahl angefochten, dann hat der Verfassungsgerichtshof innerhalb von vier Wochen nach der Einbringung zu entscheiden, ob die Anfechtung berechtigt ist und ob sie relevante Fakten enthält. Wenn das so ist, könnte der jeweilige Wahlgang zur Gänze oder teilweise wiederholt werden. Wenn etwa ein Kandidat glaubhaft machen kann, dass er oder sie bei korrektem Ablauf des ersten Wahlgangs statt Alexander Van der Bellen in die Stichwahl gekommen wäre, dann müsste der erste Wahlgang – und wohl auch eine Stichwahl – wiederholt werden. Es kommt auch darauf an, ob nur Ergebnisse einzelner Gemeinden oder Bezirke oder das gesamte Bundesergebnis vom Höchstgericht als mangelhaft aufgehoben werden.

Frage: Bliebe Heinz Fischer dann bis zum Ergebnis der Nachwahl im Amt?

Antwort: Nein. Seine Amtszeit endet jedenfalls am 8. Juli. Sollte zu diesem Zeitpunkt ein Nachwahlverfahren laufen, ginge das Amt bis zu einem neuerlichen Endergebnis auf die drei Nationalratspräsidenten als Kollegialorgan über. In diesem Fall wäre Norbert Hofer als Dritter Präsident des Nationalrats zumindest interimistisch Bundespräsident. (Conrad Seidl, 2.6.2016)