Wien – Kardinal Christoph Schönborn ist kein guter Mensch. Im Gegenteil: Er hörte das Handy von Monika S. ab und schmiedete mit deren Ex-Therapeuten ein Mordkomplott gegen sie. Darüber hinaus hatte die 61-Jährige Angst, dass der Erzbischof von Wien ihrem vierjährigen Enkel etwas antut. Dennoch ist es die Pensionistin, die vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Christoph Bauer sitzt – es geht um ihre Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Sie ist daher keine "Angeklagte", sondern eine "Betroffene". Die es Bauer nicht ganz einfach macht. Zum Vorwurf, sie habe am 29. Februar ihrem Ex-Psychiater mit einer Glasflasche auf den Kopf geschlagen, wobei der eine Platzwunde erlitt, und ihn mit dem Umbringen bedroht, ist sie zwar grundsätzlich geständig. Mehr will sie aber eigentlich nicht sagen.

Schönborn sollte Papst werden

Der Vorsitzende bringt sie mit Fingerspitzengefühl dann doch zum Reden und beweist, wie üblich, seinen staubtrockenen Humor. Beispielsweise beim Dialog, der sich darum dreht, was der Arzt eigentlich mit dem Geistlichen zu tun hat. "Der Doktor H. hat gesagt, ich soll nach Rom mitfahren, damit der Schönborn Papst wird", erklärt die Frau dazu. "Naja, es ist ja dann ein anderer geworden. Und warum waren Sie im Februar in der Praxis? Einen Papst haben wir ja jetzt schon", sagt Bauer, ohne eine Miene zu verziehen.

"Weil ich vom Schönborn verfolgt worden bin. Er und der Doktor haben mein Handy abgehört, das habe ich herausgefunden." – "Wie?" – "Ich habe sie handeln gehört. Und der Doktor hat gesagt, dass sie mich einfach umbringen sollen."

Mittlerweile habe sich die Situation aber etwas beruhigt, sagt S.: "Jetzt ist nichts mehr. Ich habe zu Weihnachten mit dem Schönborn geredet, und er hat gesagt, er wird mir nix mehr tun und mich in Ruhe lassen." – "Aber warum haben die dieses böse Komplott geschmiedet?" – "Das frage ich mich auch."

Attacke schon im Jahr 2005

Doktor H. ist übrigens nur mehr der Ex-Therapeut, da die Betroffene ihn schon im Jahr 2005 mit einer Bierflasche attackiert hat. Danach hatte sie Hausverbot. "Aber nach 2005 war ich nicht mehr dort", behauptet sie. "Da habe ich aber was anderes im Akt", hält ihr Bauer vor. "Da gab es ja auch Polizeieinsätze?" – "Ich war ein paarmal dort", konzediert S. doch. "Aber er hat gesagt, dass er mich schon als Kind umgebracht hätte, wenn er mich schon gekannt hätte. Und sagen Sie nicht, ich bin verrückt!"

Die "paarmal" stellen sich laut Aufzeichnungen des Psychiaters schließlich als mindestens 106 Besuche in elf Jahren heraus, 40-mal musste die Polizei kommen. "Sie ist zusehends aggressiver und unberechenbarer geworden", schildert er als Zeuge. Eine Krankheitseinsicht habe sie nie gezeigt.

Am Tattag saß S. vor seinem Behandlungszimmer, war aber ruhig, hatte ihn sogar gegrüßt. Als er eine andere Patientin verabschiedete, eskalierte die Situation: "Sie ist plötzlich aufgestanden und hat aus der Tasche eine Flasche gezogen und sie mir auf die Stirn gehauen." Stark blutend flüchtete er sich zurück in sein Zimmer, hörte noch, wie S.: "Der gehört umgebracht!" brüllte.

"Zu schlechtem Menschen gemacht"

"Was sagen Sie denn jetzt dazu?", wendet sich Bauer an die Betroffene. "Er hat mir nicht die richtige Antwort gegeben. Er hat mich verhunzt und zu einem schlechten Menschen gemacht", sieht sich S. als Opfer.

Das ist sie in gewissem Sinne auch, wie der psychiatrische Sachverständige Wolfgang Soukop ausführt. Die Frau leidet seit Jahrzehnten an einer schweren Schizophrenie. Und: "Ich habe Sie zuletzt vor acht Wochen gesehen, ihr Zustand hat sich seither eher verschlechtert", urteilt er. Und das, obwohl sie in einem Spital untergebracht ist und Medikamente bekommt. Die Möglichkeit, nur eine bedingte Einweisung samt Auflagen auszusprechen, sieht Soukop derzeit nicht.

"Fühlen Sie sich eigentlich gefährlich?", will der Vorsitzende von S. wissen. "Nein." – "Warum nicht?" – "Jetzt nicht mehr. Und früher auch nicht. Ich war immer sicher." – "Wie meinen Sie das?" – "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Auto- oder Skiunfall gehabt."

Eigene Wohnung als Herzenswunsch

"Muss ich jetzt dort im Spital bleiben?", fragt die 61-Jährige nach der Expertise verzagt. "Das entscheiden wir jetzt dann. Aber wie soll's denn weitergehen mit Ihnen? Was wünschen Sie sich?", interessiert Bauer. "Eine eigene Wohnung", lautet der Herzenswunsch.

Sie wird sich wohl etwas gedulden müssen. Wenig überraschend verfügt der Senat rechtskräftig die Einweisung. "Ich mache mich nicht über Sie lustig – aber sehen Sie das vielleicht auch als Chance. Dort bekommen Sie regelmäßig die Medikamente, dann geht es Ihnen vielleicht auch irgendwann wieder besser", sagt Bauer am Ende. (Michael Möseneder, 1.6.2016)