Der US-Sänger Gregory Porter über aktuelle Politik: "Donald Trump ist ein Provokateur, er hat so viele beleidigt. Aber wer so provoziert, der aktiviert auch eine Gegenreaktion."

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Wien – Da richtet auch Gregory Porter flehend seinen Blick nach oben, als würde er bei zuständigen Mächtigen mit der Bitte anklopfen, auch ihm, Porter, solch einen Song einzuhauchen – wie er einst Bobby McFerrin eingeflüstert wurde: "Würde mir ein Song wie Don't Worry, Be Happy einfallen – ich müsste jubeln und tanzen!"

Es sei die beschwingte Miniatur zwar nicht Bobby McFerrins Opus magnum, meint Porter. Wenn "aber ein Song so viel Spaß verbreitet, ist er mehr als Musik. Ein Song, den ein Fünfjähriger mit einem 75-Jährigen genießen kann, ist geniale Popmusik. Ich glaube, gehört zu haben, dass Bobby ihn nicht mehr performen will. Ich denke etwas anders: Wenn die Leute ihn hören wollen – warum nicht? Ich hatte aber noch nie solch einen Hit."

Porter ist selbst zurzeit ein Hit. Seit dem Erfolg seines Albums Liquid Spirit ist der Mann aus Bakersfield (nördlich von Los Angeles) mit seinem Mix aus Jazz, Soul, Gospel und Rhythm and Blues gut für volle Säle und Grammys. "Ich bin 300 Tage weg von zu Hause, ich gebe an die 250 Konzerte im Jahr. Das ist toll, aber nicht einfach. Ich bin nun nach Bakersfield zurückgezogen, wo meine Brüder und Schwestern leben und wo ich die Energie meiner verstorbenen Mutter spüren kann."

Traum vom Footballspieler

Porter hatte schon mit dreizehn das Gefühl, "eine recht gute Stimme zu besitzen. Aber der Sprung quasi in die Stratosphäre, das scheint immer noch unwirklich. Okay, wenn ich das alles täglich tue, was ich tue, wird alles wohl wahr sein. Ich frage aber meinen Manager oft, ob wir eigentlich in Zukunft noch genug Shows hätten. Vielleicht habe ich keine! Ja, das ist ein bisschen irrational." Es war auch nicht unbedingt so geplant: Porter wollte eigentlich als professioneller Footballspieler durchstarten. Er erlitt jedoch eine Schulterverletzung, die alle Träume pulverisierte und eine Identitätskrise auslöste.

"Damals starb auch meine Mutter an Krebs. Es war eine sehr dunkle, kritische Zeit, es dauerte Jahre, bis ich das physisch und psychisch bewältigt hatte. Das Seltsame: Mit dem Singen kam die Lösung der Krise, ich ging zu Sessions, ich machte singend Schritte aus dem Schmerz heraus. Und ich merkte, dass ich positives Feedback für das, was ich tat, bekam. So blieb ich dabei."

GregoryPorterVEVO

Was Wunder, dass Porter, der seine Lieder (samt Text) selbst komponiert, "über die Höhen und Tiefen des Daseins" schreibt. Dies aber in der Hoffnung, "auch für andere würde es Bedeutung erlangen. Ich thematisiere die Fragen, die Schwächen, die wir alle haben. Die ganze Zeit cool sein zu wollen ist nicht realistisch. Man muss ehrlich sein." Bisweilen denkt Porter, dass er "zu weit gehe mit meiner Offenheit. Aber in allem Individuellen steckt hoffentlich etwas Universelles. Letztlich muss das jeder Künstler für sich entscheiden: "Ich will die Leute nicht manipulieren, ich will sie anregen. Wie ich komponiere? Es ist so, dass mir zumeist Text und Melodie zugleich einfallen. Komponieren ist ein Vorgang, bei dem Herz und Hirn miteinander mysteriös kommunizieren."

Entspannt, soulig

Auf seinem entspannten souligen Album Take Me To The Alley lässt sich auch eine samtige Stimme genießen, die etwas von Sammy Davis Jr. hat und deren cremiger Grundcharakter Breitenwirkung garantiert, ohne allzu gefällig zu sein. "Ich hoffe, in den Jazz eine Emotionalität bringen zu können, die vermisst wurde. Prinzipiell finde ich: Beim Künstler sollte ein individuelles Charisma existent sein. Als Hörer will ich ihn, den Künstler, also dessen Persönlichkeit hören. Etwa so wie bei Leon Thomas oder Nat King Cole."

Was macht Porter eigentlich, wenn Donald Trump Präsident wird – auswandern? "Das muss ich nicht, ich bin ohnedies ständig unterwegs ... Im Ernst: Trump ist ein Provokateur, er hat so viele beleidigt. Aber wer so provoziert, aktiviert auch eine Gegenreaktion positiver Kräfte. Er schmiedet sie gleichsam zu einer Koalition zusammen. Es ist überraschend, dass ihn so viele mögen. Aber so wie es absurd ist, jeden Fehlschlag, den einer erlitten hat, Barack Obama anzukreiden, so ist es auch absurd, alles, was in Zukunft im Leben gelingen soll, hoffnungsvoll an Trump zu koppeln." (Ljubiša Tošić, 1.6.2016)