Bild nicht mehr verfügbar.

Griechenland geht im Moment gegen informelle Lager vor. Vergangene Woche wurde etwa das Camp in Idomeni geräumt.

Foto: Reuters / Yannis Kolesidis

Die Lage der Flüchtlingslager in Griechenland.

Grafik: Standard

Die einen fürchten sich vor den Wählern, die anderen ertrinken, die Dritten sind stets überfordert mit dem Bau von Lagern und der Bürokratie. Im vergangenen Jahr um diese Zeit fing die Flüchtlingswelle nach Europa erst richtig an. Um die 5.000 Migranten waren damals in den letzten drei Tagen des Mai aus dem Meer zwischen Libyen und Italien gefischt worden.

Am Dienstag sprach das UN-Flüchtlingshilfswerk in Genf von mindestens 880 Toten im Mittelmeer allein in der vergangenen Woche. Nichts hat sich gebessert, so scheint es – ganz im Gegenteil: Menschenschlepper packen derzeit weitere Flüchtlinge auf seeuntüchtige Boote, erklärte ein Sprecher des UNHCR. 2016 sei bisher noch tödlicher für Migranten gewesen als das vergangene Jahr um diese Zeit.

Flüchtlingswelle nicht umgeleitet

Politiker in Österreich und der EU halten die Furcht vor immer weiteren Flüchtlingen am Leben. Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei funktioniere kaum, behauptet die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Drei Millionen warten an der türkischen Küste auf die Flucht nach Europa, gab EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos zu Wochenbeginn an; eine halbe Million seien es an der nordafrikanischen Küste.

Das Bild, das Sicherheitskräfte und internationale Organisationen über die derzeitigen Flüchtlingsströme zeichnen, ist gleichwohl konfus. Die von Österreich mitinitiierte Schließung der Balkanroute hat die Flüchtlingswelle bisher nicht auf Italien umgeleitet. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres seien 47.000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen, sagte am Dienstag eine Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration (IOM); im Vorjahr waren es um diese Zeit 47.500 Flüchtlinge gewesen.

Wieder mehr Überfahrten

Auf den griechischen Ägäisinseln werden seit dem Rücknahmeabkommen mit der Türkei sehr viel weniger Flüchtlinge gezählt als im Vorjahr: 1.376 waren es im Mai laut der Küstenwache, verglichen mit fast 18.000 im Mai 2015. Doch dann wiederum berichteten griechische Sender am Dienstag über eine auffällige Zunahme von Überfahrten von der türkischen Küste nach Lesbos, Chios und Samos in den vergangenen fünf Tagen. Busladungen mit Flüchtlingen würden derzeit in Izmir eintreffen.

Die Internierungslager auf den drei Inseln sind weiterhin überfüllt, die offiziellen Aufnahmekapazitäten überschritten. Derzeit macht sich eine Delegation des Europarats ein Bild von der Lage. Sie hat bereits die Zustände der Flüchtlingscamps auf dem griechischen Festland kritisiert. Die neu aufgebauten Lager Sindos, Oreokastro und Softex bei Thessaloniki entsprächen nicht internationalen Mindeststandards, stellte die Straßburger Delegation fest: kein Brandschutz, keine ausreichende Belüftung und Beleuchtung, keine Privatsphäre für die Insassen.

Der griechische Migrationsminister Yiannis Mouzalas, ein langjähriger Aktivist von Ärzte ohne Grenzen, reagierte ungehalten auf die Kritik. Griechenland habe in den zweieinhalb Monaten seit der Schließung der Balkangrenzen mehr als 55.000 Schutzsuchende aufnehmen müssen, verteidigte sich Mouzalas. Man müsse realistisch sein, mit welcher Geschwindigkeit sich adäquate Unterkünfte aufbauen ließen.

50 Asylfälle am Tag

Mouzalas kündigte den Bau von Containersiedlungen an. Provisorische Lager würden im September abgebaut. Auch die Asylverfahren auf dem Festland würden beschleunigt. Derzeit bearbeiteten die Behörden 50 Fälle am Tag. Eine Vorabregistrierung von Asylbewerbern soll nun in den Lagern beginnen und bis Ende Juli dauern. Bisher konnten die Flüchtlinge nur an drei Tagen in der Woche für wenige Stunden eine Skype-Nummer wählen, um zu versuchen, einen Termin bei der griechischen Asylbehörde zu erhalten. Dies funktionierte kaum. (Markus Bernath aus Athen, 31.5.2016)