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Junge Männer beim Lamborghini-Schauen nahe dem Hafen von Vancouver: In der kanadischen Pazifikmetropole hauen vor allem junge Chinesinnen auf den Putz.

Foto: Reuters / Andy Clark

Diana Kim fährt mit ihrem schimmernd weißen Range Rover Supercharged Sport V8, den sie kürzlich für umgerechnet 85.000 Euro erstanden hat, durch die Innenstadt von Vancouver. Viele der gutgekleideten Passanten in den Einkaufsstraßen tragen asiatische Gesichtszüge wie sie. "Ich hätte gern ein auffälligeres Auto", sagt Diana mit einem starken Akzent, "aber meine Eltern halten das wegen meiner Sicherheit für zu gefährlich."

Diana, eine 23-jährige Studentin aus China, ist zierlich, hübsch, hochelegant und ein Star der Reality-Show "Ultra Rich Asian Girls in Vancouver", die im Internet gezeigt wird. Mit ihrem teuren Fahrzeug könnte sie dem Vancouver Dynamic Auto Club beitreten, dessen 440 Mitglieder allesamt Autos haben, die mehr als 100.000 kanadische Dollar (67.000 Euro) kosten. Die meisten Klubmitglieder sind sehr junge, sehr reiche Chinesen. Fuerdai, die "reiche zweite Generation", nennt man diese Zuzügler aus Asien, die sich die neuesten Maseratis und Lamborghinis leisten können und in Vancouver in Saus und Braus leben.

Wenn Diana ihre Eltern in Schanghai besucht, fährt sie deren Ferrari oder Mercedes-Maybach. Ihr Vater, der sein Geld "mit Erdöl und internationalem Handel" verdient, möge aber kein Aufsehen um den Reichtum seiner Familie, sagt Diana. Deshalb hat sie ihren Nachnamen geändert.

Mekka wohlhabender Chinesen

Vancouver ist das bevorzugte Mekka wohlhabender Chinesen. Hier stecken sie ihre Kinder in gute Schulen, ihr Geld in Immobilien und ihr Vertrauen in die Stabilität und Sicherheit des Landes. Chinesische Väter kaufen eine Millionenvilla am Pazifik, lassen die Familie in Vancouver zurück und führen ihre Geschäfte in Asien weiter. Die jungen reichen Chinesen mögen die Freiheit hier, weg von den autoritären Zwängen des chinesischen Politsystems. Es überrascht nicht, dass die Internet-Reality-Show superreicher Asiatinnen in Vancouver vor allem von Millionen Menschen in Asien verfolgt wird.

Diana ist eine der fünf Frauen in der Serie, die beim Jetsetten, Trinken von teurem Wein mit Strohhalmen (damit sich die Zähne nicht verfärben), auf Modeschauen, beim Kaufen von Ferienvillen in Los Angeles oder beim Knüpfen von Geschäftskontakten gefilmt werden. In einer der Folgen verteilt Diana hundert Hamburger an Obdachlose in Vancouver und mahnt die Almosenempfänger gut gelaunt: "Nach dem Verzehr von zwei müsst ihr Sport betreiben." Die Leute seien immer neugierig auf das Leben Reicher, sagt die Millionenerbin: "Einige mögen uns, andere hassen uns."

Nach anfänglichem Zögern verschwinden ihre Hemmungen, von ihrem kostspieligen Lebensstil zu erzählen: "Ich liebe Schuhe, ich habe sicher tausend davon, von Louboutin, Jimmy Choo, Manolo Blahnik, Prada." Sie besitzt auch einige Hundert Handtaschen von Dior und Chanel, das Stück "zwischen 5.000 und 6.000 Dollar". Und sie sammelt handgemachte Uhren, wie die mit Diamanten besetzte Richard-Mille-Uhr für 200.000 Dollar.

70 Flüge pro Woche nach China

Wenn ihr die Designerboutique Holt Renfrew oder Restaurants wie Black and Blue in Vancouvers West End zu langweilig werden, dann jettet sie für zwei Tage in ihre alte Heimat, die von Vancouver aus schnell und leicht erreicht werden kann: Im Sommer gibt es jede Woche mehr als siebzig Flüge nach China.

Vancouver war schon früher für Chinesen ein sicherer Hafen, aber der Reichtum der Fuerdai erreicht neue Dimensionen. Die Eltern von Kevin Li, dem 37-jährigen Produzenten von "Ultra Rich Asian Girls in Vancouver", wanderten in den 1970er-Jahren von Hongkong in die Westküstenmetropole aus. Als Kevin zur Schule ging, tauchten manche chinesischen Studenten mit BMWs und Mercedes auf. "Heute kommen Trust-Fund-Kids nach Vancouver und fahren Ferraris und Lamborghinis", sagt er.

Kevin hatte keine Probleme, Frauen für seine Realityshow zu finden. "Nicht wegen des Geldes", sagt er, "sondern weil sie ein eigenes Geschäft aufbauen wollen." Diana plant mithilfe ihrer Mutter, die ein Kosmetikimperium in Korea besitzt, preiswertes Make-up für junge Leute zu vermarkten. "Ich will mein Image ändern", sagt sie. "Ich will ein Business-Girl sein." Aber noch muss sie den Universitätsabschluss in Wirtschaft und asiatischen Studien schaffen. Sie braucht die Kreditkarte ihrer Eltern. Die erlaubten ihr, alle zwei Jahre ein neues Auto für rund 100.000 Euro zu kaufen.

Es ist ein Tabu in Vancouver, über die Exzesse reicher Chinesen zu sprechen. Zu viele profitieren von deren Geld: Banken, Immobilienagenten, Bauunternehmer, Läden, Autohändler, Hotels, Restaurants, Juweliere. Sie alle haben Leute eingestellt, die Manadarin oder Kantonesisch sprechen.

"In Vancouver kann man ohne Englisch gut leben", sagt Craig Stowe, der Ausstellungen mit Luxusautos organisiert. Die Stadtbehörden veröffentlichen keine Daten über den Zustrom reicher Chinesen. Es wird auch offiziell nicht ermittelt, wie viele Immobilien diese kaufen und dadurch die Häuserpreise in astronomische Höhen treiben – oder inwieweit Geldwäsche stattfindet. "Niemand möchte als rassistisch kritisiert werden", sagt Stowe.

Durchschnittsverdiener können sich in Vancouver kein Haus mehr leisten, in einem Mekka für Reiche, in dem aber das tatsächlich verfügbare Einkommen im Städtevergleich das niedrigste in ganz Kanada ist. Wegen des wachsenden Unmutes macht der linke Abgeordnete David Eby auf Missstände aufmerksam – mit wenig Erfolg. Der Auslandskorrespondent der "South China Morning Post", Ian Young, ist einer der wenigen Journalisten, die das extreme Wohlstandsgefälle kritisieren. Er sagt, für die jüngeren Kanadier sei die Lage "ein riesiges soziales Problem". Aber Diskussionen darüber würden mit dem Vorwurf Rassismus abgewürgt.

Obdachlos – in Chanel-Schuhen

Manche Bewohner von Vancouver schweigen heute, wie Shin Yi, der 27-jährige Eigentümer der Firma Luxury Motor, die an der Burrard Street superteure Autos verkauft, vor allem an Chinesen. Der "New York Times" sagte Shin Yi noch vor kurzem, dass viele Kinder korrupter Beamter aus China in Vancouver lebten. "Hier können sie ihr Geld zur Schau stellen", wird er zitiert.

Diana Kim wurde einmal von Mitstudenten herausgefordert, ihre Privilegien zu überdenken. Sie spielte für drei Tage eine Obdachlose, in Chanel-Schuhen und einem T-Shirt von Victoria's Secret. Sie gab bald auf, "weil ich mich und meine Kleider nicht waschen konnte". Dann versuchte sie eine Woche lang mit acht Dollar pro Tag zu leben, aß jeden Tag Pizza. Heute macht sie sich mehr Gedanken ums Geld – auf ihre Weise. Derzeit gibt sie um die 20.000 Euro im Monat aus, soweit sie das übersehen kann. Mit ihrer geplanten Kosmetikfirma muss sie erfolgreich sein, damit sie sich das weiter leisten kann. "Ich will viel Geld einnehmen, damit ich mehr Schuhe kaufen kann", sagt sie – und lacht fröhlich.(Bernadette Calonego aus Vancouver, 1.6.2016)