Wer in einer Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels wie der U6-Station Thaliastraße in Wien "Suchtgift einem anderen gegen Entgelt anbietet, überlässt oder verschafft", dem drohen deshalb ab Mittwoch bis zu zwei Jahre Haft.

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Wien – Eine Novelle des Suchtmittelgesetzes tritt am Mittwoch in Kraft. DER STANDARD hat sich angesehen, was sich dadurch ändert – fünf Fragen und Antworten rund um Drogendelikte, Strafhöhen, Polizeiarbeit, Platz für Häftlinge und die erst zu Jahresbeginn in Kraft getretene Strafrechtsreform.

Frage: Was ändert die Novelle des Suchtmittelgesetzes, die am Mittwoch in Kraft tritt?

Antwort: Durch die Novelle soll die Polizei leichter gegen das Drogendealen im öffentlichen Raum vorgehen können. Das Ziel von Innen- und Justizminister ist, Sicherheit und subjektives Sicherheitsgefühl zu stärken. Künftig wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belangt, wer im öffentlichen Raum "Suchtgift einem anderen gegen Entgelt anbietet, überlässt oder verschafft". Das betrifft etwa das Dealen in Verkehrsmitteln und in öffentlichen Gebäuden sowie "unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen". In Wien sorgte zuletzt die Drogenszene an und in der U6 öfters für Aufsehen. Ab 1. Juni steht auf öffentlichen Suchtmittelhandel oder dessen Anbahnung dann eine doppelt so hohe Höchststrafe wie auf Anbau oder Erwerb illegaler Substanzen in geringem Maße. Gewerbsmäßiger Handel wird schon jetzt härter bestraft.

Frage: Warum ist die Änderung nötig, ein reformiertes Strafgesetz ist doch erst seit Jänner 2016 in Kraft?

Antwort: Das Strafrechtsänderungsgesetz zielte darauf ab, generell beim Strafmaß eine bessere Balance zwischen Vermögens- und Gewaltdelikten zu finden. Dafür definierte man die Gewerbsmäßigkeit, um zwischen einmalig und professionellen Kriminellen zu unterscheiden. Dem Täter musste dann die Absicht nachgewiesen werden, dass er sich durch die wiederkehrende Tatbegehung ein "nicht bloß geringfügiges Einkommen" (monatlich mindestens 400 Euro) verschafft hat. Schon im Jänner kritisierte die Polizei, dass Dealer so nur noch schwer in U-Haft genommen werden können. Bei der Polizei Wien heißt es etwa, derzeit würden "sehr oft" Personen, die wegen des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz auf freiem Fuß angezeigt wurden, wieder beim Dealen erwischt.

Frage: Wird mehr Polizei eingesetzt?

Antwort: Die Wiener Polizei ist seit eineinhalb Wochen verstärkt im Einsatz: In Wien machen nach Angaben eines Sprechers etwa 200 Beamte Überstunden. Auf eine STANDARD-Anfrage bei der Landespolizeidirektion Steiermark hieß es, man "könne nur abwarten", was die Novelle wirklich bringe. Die Wiener FPÖ monierte, dass allein für Wien rund 2.000 Beamte mehr im Einsatz sein müssten.

Frage: Was ändert sich für die Justiz?

Antwort: Wiener Staatsanwaltschaft und Straflandesgericht haben Journaldienste und Rufbereitschaft verstärkt – da ein höheres Strafmaß als bisher auf den Handel mit geringen Mengen droht, ist mit mehr U-Haft-Anträgen zu rechnen. U-Haft darf nur ein Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängen, und es ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die Justizanstalt Wien-Josefstadt hat für Aufnahmen zuständiges Personal aufgestockt. Man werde diese Woche zudem noch Insassen transferieren, hieß es – die Justizanstalt war laut STANDARD -Informationen am Montag mit insgesamt 1.106 Insassen überbelegt (Vollbelegung ist bei 990 erreicht).

Frage: Wie hat sich die Zahl der Drogendelikte verändert?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft Wien bearbeitete von Jänner bis April 2016 insgesamt 3.447 Anzeigen wegen des "unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften" – Drogenhandel mit kleinen Mengen. Von Jänner bis April 2015 waren es gut 300 Fälle weniger gewesen – wobei die Anzeigenzahl auch davon abhängt, wie stark die Polizei kontrolliert. 864 Anklagen wurden heuer bis Ende April erhoben, 2015 war es 997. Anzeigen wegen Suchtgifthandels in größeren Mengen bearbeitete die Staatsanwaltschaft im Vorjahr häufiger als 2016: 313-mal (heuer 213). Es kam zu 182 Anklageerhebungen – 2015 waren es elf weniger. (Gudrun Springer, 31.5.2016)