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"Strategische Entscheidung für Russland": Tispras machte Putin in Athen Avancen. Die Russland-Sanktionen nannte er "nicht produktiv".

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Das Investitionsvolumen ist recht bescheiden, sagt selbst Wladimir Putin, und der Handel im Vergleich zum Vorjahr der Sanktionen und Gegensanktionen wegen noch gleich um ein Drittel geschrumpft. Doch von nun an soll alles anders werden: Russland nimmt Geld in die Hand für das schwächste Land der EU. Griechenland soll eine neue Gaspipeline bekommen und russische Großinvestoren, die den Hafen von Thessaloniki und die hochverschuldete griechische Staatsbahn kaufen.

So zumindest endete der Arbeitsbesuch, den Russlands Präsident am Freitag verspätet in Athen begonnen hatte. Sieben Minister und die Chefs von Gazprom und Rosneft brachte Putin mit. Memoranden und zwei politische Erklärungen wurden unterschrieben. Gastgeber Alexis Tsipras sprach gar von Griechenlands "strategischer Entscheidung" für Russland. So etwas hört Putin in der EU nicht mehr, seit diese vor zwei Jahren Strafmaßnahmen wegen der Annexion der Krim und des Separatistenkriegs in der Ukraine ergriffen hat.

Sanktionsaufhebung gefordert

Mit Österreich, Ungarn und Italien steht der griechische Regierungschef im Lager jener, die für eine Aufhebung der Russland-Sanktionen plädieren. "Nicht produktiv" nannte er sie beim kurzen Auftritt mit Putin vor der Presse. Später im Monat Juni werden die EU-Außenminister wohl wieder über die Fortsetzung der Strafmaßnahmen entscheiden. Die Diskussion wird schwierig.

Tsipras' politische Avancen gegenüber Moskau kommen kurz nach der Einigung in der Eurogruppe über die Auszahlung der nächsten Kreditraten. Für die linksgeführte Regierung in Athen war es der politisch wichtigste Besuch seit dem Amtsantritt vor mehr als einem Jahr. Anfang Juli wird Tsipras zudem zu einer Wirtschaftsreise nach China aufbrechen. Cosco hat bereits den Hafen von Piräus gekauft.

Rekordsteuerschulden

Im Land steht die Regierung Tsipras auch nach der Einigung mit den Kreditgebern unter Druck. Zum einen kommt am 1. Juni die neuerliche Anhebung der Mehrwertsteuer mit den Verteuerungen der Lebensmittel. Zum anderen sind einige der Korrekturen am jüngsten Sparpaket, die von der Eurogruppe doch noch gefordert wurden, recht heikel. So müssen Bezieher von Kleinstpensionen rückwirkend bis zum 1. Jänner ihren Staatszuschuss zurückzahlen; dieser wurde auf Drängen des Internationalen Währungsfonds abgeschafft.

Währungsfonds zweifelt

Der IWF hatte vergangene Woche in einem Papier nochmals seine Zweifel an der Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden begründet, dabei allerdings die eigenen falschen Annahmen in den ersten Jahren der Finanzkrise nach 2010 unerwähnt gelassen. Der Washingtoner Fonds hat noch keine Entscheidung über eine Beteiligung am dritten Rettungskredit für Athen vom vergangenen Jahr getroffen.

Unter Berufung auf den IWF meldete die griechische Tageszeitung Kathimerini am Sonntag dafür eine neue Zahl: Die Steuerschuld der Griechen beläuft sich auf den europaweiten Rekord von rund 87 Milliarden Euro. Trotz massiver Steuererhöhungen seit 2010 seien die Schulden gegenüber dem Fiskus nur gestiegen. Von 100 Euro Steuerschuld zahlen die Griechen statistisch gesehen demnach nur 45 Euro. Verantwortlich dafür macht der IWF auch eine nach wie vor unzureichende Arbeit der Finanzämter bei der Steuereintreibung. (Markus Bernath aus Athen, 29.5.2016)