Blick in eine Zelle: Ab Herbst soll es Regeln für den Umgang mit Transgenderpersonen in Haft geben.

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Wien – In den USA wird über Transgenderpersonen erbittert gestritten. Die Frage, ob etwa ein als Frau lebender Mann aufs Frauenklo darf, spaltet das Land, seit die freie Toilettenwahl im Bundesstaat North Carolina verboten ist.

In Österreich ist der Umgang mit Menschen, die in dem für sie falschen Geschlecht geboren wurden, von weniger Aufregung geprägt. Doch die Frage stellt sich auch hier zunehmend. Zwar gibt es kein statistisches Wissen, wie viele Transgenderpersonen es gibt. Aber öfter als früher wagen Betroffene, sich zu outen. In der Wiener Beratungsstelle Courage, der österreichweit einzigen Einrichtung mit einem spezifischen Angebot, suchten 2015 rund 300 Transgenderpersonen Hilfe.

Mit Frauenkleidern im Männervollzug

Diese Entwicklung sorgt für Regelungsbedarf in verschiedensten Bereichen. So etwa im Strafvollzug, wo Insassen unter direkter staatlicher Kontrolle leben. Wie etwa soll man in einem Männergefängnis mit einem Mann verfahren, der zur Frau werden möchte – und daher weibliche Kleidung tragen will? Wie ist mit Geschlechtsanpassungswünschen Gefangener umzugehen?

Zu Fragen zum Beispiel der Kleiderordnung für Transgenderpersonen im Strafvollzug existiert im Justizministerium seit einem Jahr eine Arbeitsgruppe, die bis zum heurigen Herbst konkrete Regeln ausarbeiten will.

22-Jähriger wird behandelt

Zum Thema Geschlechtsumwandlung wiederum gibt es seit kurzem eine klare Antwort: In einem Beschluss vom 29.4.2016 hat das Landesgericht Wien der Strafvollzugsanstalt Mittersteig aufgetragen, einem 22-jährigen Gefangenen zu erlauben, in Haft die Behandlung zur Geschlechtsumwandlung einzuleiten.

"Diese Entscheidung ist für uns über den Einzelfall hinaus bindend", sagte dazu im Justizministerium Abteilungsleiterin Andrea Moser-Riebniger dem Standard. "Das ist bahnbrechend", kommentiert Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitees Lambda und Anwalt des 22-Jährigen. Österreich trage damit einer Empfehlung des Europarat-Antifolterkomitees (CPT) von 2014 Rechnung, "transsexuellen Personen in Gefängnissen (und gegebenenfalls in anderen geschlossenen Anstalten) Zugang zur Beurteilung und Behandlung ihrer geschlechtlichen Identität" zu ermöglichen.

Nein wäre Menschenrechtsverstoß

Graupners siegreicher Klient sitzt wegen Gewalt- und Körperverletzungsdelikten im Maßnahmenvollzug ein. Dort werden Täter über das Ende ihrer Haftstrafe hinaus angehalten, wenn ihre Prognose negativ ist. Würde die Justiz dem 22-Jährigen die Geschlechtsanpassung verweigern, so wäre das ein Nein auf unbestimmte Zeit, erläutert Graupner. Und es käme – menschenrechtlich ein klarer Verstoß – der Verweigerung einer Krankheitsbehandlung gleich: "Transsexualismus" gilt laut internationaler Klassifikation ICD-10 als Krankheit. (Irene Brickner, 27.5.2016)