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Foto: AP / Shuji Kajiyama

Realpolitisch mögen bei den G7 in Ise-Shima die wichtigeren Ereignisse stattfinden – die Konzentration der internationalen Medien liegt aber auf einem anderen Ereignis: dem für Freitag geplanten Besuch Barack Obamas im Friedenspark von Hiroshima. Die Visite des US-Präsidenten ist die erste eines amtierenden US-amerikanischen Staatsoberhauptes an jenem Ort, wo am 6. August 1945 erstmals eine Atombombe im Krieg eingesetzt wurde. Zumindest eine Absicht ist schon jetzt aufgegangen: In beiden Ländern wird erneut intensiv über die Ereignisse des letzten Kriegsjahres gesprochen.

Für die Japaner handelt es sich um das Symbol ihres Leids im Zweiten Weltkrieg. Die von der ersten Atombombe Verbrannten und Verstrahlten haben es der ganzen Nation möglich gemacht, sich als Kriegsopfer zu fühlen und so die eigene Kriegsschuld zu verdrängen. Wenn Obama dies nun stärker als Washington bisher anerkennt, birgt dies aber auch eine Gefahr: nämlich jene, dass die Japaner sich weiter in der Opferrolle bestätigt fühlen. Deshalb, so argumentieren Teile der japanischen Opposition, ist es wichtig, dass sich der US-Präsident nicht für die Atombombenabwürfe entschuldigt. Dies hatte sein Stab aber ohnehin bereits im Vorfeld ausgeschlossen.

Keine Entschuldigungen

Denn auch in den USA würde dies für neue Empörung sorgen. Für viele frühere US-Soldaten, die in japanischer Kriegsgefangenschaft gefoltert und zu Zwangsarbeit genötigt wurden, ist jede Form von Entschuldigung untragbar. In ihren Augen und in den Augen jener Soldaten, die nach der grausamen Schlacht um Okinawa die Fortsetzung des mörderischen Krieges auf den großen japanischen Inseln befürchteten, war der Abwurf der beiden Atombomben das richtige Mittel zur Beendigung des Krieges. 56 Prozent der Amerikaner halten den Abwurf der Bomben noch immer für gerechtfertigt. 79 Prozent der Japaner sind gegensätzlicher Ansicht. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung besteht fort.

Obama wollte laut Vorankündigungen ohnehin nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft sprechen. Was auch im Sinne von Japans Premier Shinzo Abe ist. Auf ihn würde sonst der Druck steigen, sich für japanische Untaten im Zweiten Weltkrieg zu entschuldigen. Bisher hatte er sich um eine solche Botschaft stets kunstvoll herumgeredet.

Der Eifer im Hintergrund

Wenn Obama mit dem nationalkonservativen Regierungschef zum Friedensmemorial geht, ist dies dennoch eine Botschaft: Er will Japan noch stärker an die USA binden, obwohl dessen Führung nicht wirklich mit der eigenen Geschichte gebrochen hat. Abe hat zwar keine kriegerischen Absichten, aber er verfolgt hartnäckig die Idee eines stolzen und wehrhaften Japan, das einem immer selbst bewussteren China Paroli bieten kann – mit einem Eifer, der sein eigentliches Wahlversprechen, Japans Wirtschaft wiederaufzurichten, in den Hintergrund rückt.

Seine Ambitionen macht auch die Auswahl des Orts für den G7- Gipfel deutlich. Gleich am ersten Tag des Gipfels hat Premier Abe die Staatsführer zum Ise-Schrein geführt. Dort befindet sich der Ideologie des Staatsshinto zufolge die Göttin Amaterasu, die Urmutter Japans. Der Staatsshinto, dem Abe wieder offiziellen Rang geben will, war aber die Religion, in deren Namen Japan seine aggressive Imperialpolitik betrieben hat.

Den gemeinsamen Hiroshima-Besuch will Abe nutzen, um sich vor der Bevölkerung als Premier darzustellen, der den Frieden will. Im Juli nämlich finden in Japan Oberhauswahlen statt. Abe will dort eine Zweidrittelmehrheit, um eines seiner Hauptziele umzusetzen: das Ende des nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA verordneten Pazifismusgebots. (Siegfried Knittel aus Tokio, 26.5.2016)