Ein "Haus für zwei Schwestern" in Vahrn bei Brixen: Das Architekturbüro Bergmeisterwolf greift regionale Traditionen auf ...

Foto: Lukas Schaller/bergmeisterwolf architekten

... und schafft Verbindungen zum umliegenden Naturraum.

Foto: Lukas Schaller/bergmeisterwolf architekten

Im Tal breitet sich die Klosteranlage des Augustiner-Chorherrenstiftes Neustift aus, in der die Baustile von Romanik bis Barock zusammentreffen. Die angrenzenden Berghänge sind von Steinmauern durchzogen. Sie begrenzen die Terrassen, auf denen Zeile für Zeile Wein wächst. Weiter oben blitzen die noch weißen Gipfel Südtirols hervor. Dennoch ist hier, nördlich von Brixen in der Gemeinde Vahrn, die alpine Berglandschaft schon mit etwas mediterranem Flair versetzt.

Einbettung in alpines Umfeld

Eine der Touren, die im Rahmen der Tage der Architektur Südtirols durch diese Weinberge führte, gewährte Einblicke in Bauten, die eine Maxime vereint: die bestmögliche Einbettung in ihr alpines Umfeld. Der Bezug zum Ort sei da oft wichtiger als das Objekt selbst, erklärt der Tourguide und Bozener Architekt Carlo Calderan am Beginn der Führung. Unter dem Motto "Ins Land gebaut" wurde bei der diesjährigen Veranstaltungsreihe die Beziehung von Landschaft und Bauwerk in den Vordergrund gestellt. Ähnliche Architekturtage finden auch in Österreich (am kommenden Wochenende) und Deutschland statt.

Die Bauten rund um das Stift Neustift, zu denen Calderan führt, stammen vom Brixener Architektenduo Gerd Bergmeister und Michaela Wolf: etwa ein Weinbauer, dessen Wohnhaus mit begrüntem Flachdach und Steinmauer fast vollständig in der charakteristischen Weinlandschaft verschwindet; oder ein traditionelles Gehöft, das nun ein mondäner Zubau komplettiert.

Innenhof am Dach

Ein Wohnhaus am Fuße der Weinberge führt ein neues Material- und Formenverständnis mit Zitaten alter regionaler Bauweisen zusammen. In dem "Haus für zwei Schwestern" entstanden zwei unabhängige Wohneinheiten auf drei Ebenen, inklusive Garagen, Loggias und Dachterrasse. Die Holzverkleidung, die über Teile von Haus und Dach gezogen ist und keine abstehenden Teile wie Dachrinnen trägt, lässt den Bau monolithartig aus der umliegenden Naturlandschaft ragen. Innen wie außen wurde Lärchenholz verwendet.

Das Baukonzept nimmt Anleihen bei alten Bauernhäusern, etwa durch die Fenstervordächer. Der hier oft übliche Innenhof wurde aufs Dach gesetzt – in Form einer in teilweise hohe Holzwände gefassten Dachterrasse, die sich so gegen die oft stürmischen Winde stemmt. Die alte Steinmauer, die hier vorbeiführt, wurde zum Teil der Hausmauer.

Baukultur, die an Traditionen anschließt, dürfe nicht zu Kitsch verkommen, sind sich die beiden Architekten einig. Ihre Bauwerke sollen sich nahtlos in die Landschaft einfügen, beinahe darin verschwinden. Ein Vorbild sei die Art, wie die Bauern des Alpenraums ihre Gebäude in die Landschaft gesetzt haben; wie sie gezielt Öffnungen gewählt und Verputz, Holz und andere Materialien eingesetzt haben.

Teure Grundstücke

Ähnlich wie in Nordtirol lässt der geringe verfügbare Platz die Grundstückspreise anziehen. Bauträger wollen deshalb möglichst viel in ihre Projekte hineinbringen, Räume niedrig halten und billig bauen. Andererseits ist auch Zersiedelung ein Problem. "Wir sehen die Möglichkeit, wieder mehr Verdichtung in die Städte hineinzubringen", sagt Bergmeister. Man habe schon Projekte abgelehnt, bei denen mitten im Weinberg ein neues Gebäude entstehen sollte.

Auch wenn man keine ausgeprägte Architekturschule wie etwa in Vorarlberg habe, kümmere sich in Nachfolge zentraler Figuren wie Othmar Barth oder Walter Angonese "keine riesige, aber eine größere Anzahl" von jungen Architekten intensiv um die wichtige Beziehung von Landschaft und Bauwerk. Prägend seien auch ein weniger strenger und oft spielerischer Umgang mit Materialität und eine Durchlässigkeit für Stile und Einflüsse aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Private Wettbewerbe

Architekturwettbewerbe werden mittlerweile nicht nur für öffentliche Bauten, sondern auch für kleinere Projekte organisiert. "Wir werden öfter mit drei oder vier anderen Architekturbüros zu Projekten eingeladen – auch für private Häuser", erläutert Michaela Wolf.

Zögerlich sind die Bauherren allerdings noch beim aktuellen Trend zum Holzbau. "Wir nennen uns das Holzland Südtirol, aber das stimmt nicht", sagt Bergmeister. "Die Leute trauen sich noch nicht richtig, Holzhäuser zu bauen." Die Unternehmen, die Expertise wäre da, allein das Vertrauen in die neuen Techniken fehlt offenbar noch. "Ich denke schon, dass das langsam kommt", beruhigt Bergmeister. Den Architekten würde das neuen Spielraum geben, ihre Bauwerke harmonisch in die alpin-mediterrane Südtiroler Landschaft einzupassen. (Alois Pumhösel, 28.5.2016)