VW-Boss Matthias Müller verordnet seinem Konzern eine neue Strategie – auch, um Dieselgate vergessen zu machen. Gegen Letzteres hat vor allem ein US-Richter noch einiges einzuwenden.

Foto: AFP/Ronny Hartmann

San Francisco / Wolfsburg – Vor gut einem Monat konnte Volkswagen in der Affäre um manipulierte Abgaswerte ausnahmsweise einmal etwas durchatmen. Im April hatten sich der Wolfsburger Autobauer und die US-Behörden – gerade noch rechtzeitig vor Ablauf eines Ultimatums – auf die grobe Richtung für eine Einigung verständigt. Zumindest ein drohender Prozess war damit zunächst einmal abgewendet.

Vom Tisch war mit der Grundsatzeinigung aber noch lange nichts. Ganz im Gegenteil: Anders als damals erwartet, einigte man sich nämlich nur auf Eckpunkte. Einen detaillierten Plan zur Umrüstung der bis zu 600.000 Autos, die von den Abgasmanipulationen in den USA betroffen sind, gab es noch nicht. Auch die Strafen und Wiedergutmachungsmaßnahmen wurden nicht in allen Einzelheiten geregelt.

Deswegen steigt mittlerweile der Druck wieder. Bald muss Klarheit über Details herrschen. Heftig gefeilscht wird darum hinter den Kulissen. Bisher lassen sich VW und die US-Regierung dabei kaum in die Karten schauen. Der Vergleich sieht in groben Zügen vor, dass der VW-Konzern den größten Teil der mit der Schummelsoftware ausgestatteten Autos so umrüstet, dass sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Einen kleineren Teil werden die Wolfsburger zurückkaufen müssen, weil eine Nachrüstung zu aufwendig oder technisch nicht möglich ist. Welcher Anteil wie groß ist, wird maßgeblich bestimmen, wie teuer es für VW wird. Die Wolfsburger werden außerdem "substanziellen Schadenersatz" an die Besitzer zahlen müssen, auch Strafzahlungen stehen noch im Raum.

Bezirksrichter spricht von Fortschritten

Am Dienstag hat der zuständige US-Richter Charles Breyer VW zum Rapport einbestellt. An seinem Bezirksgericht in San Francisco sind sämtliche Klagen des Abgasskandals gebündelt: vom enttäuschten VW-Fahrer bis hin zur Milliardenklage des US-amerikanischen Staates. Breyer spricht von erheblichen Fortschritten in der Aufarbeitung der Abgasaffäre. Man sei im Plan, so der Bezirksrichter, ohne Details zu nennen.

Um einen Schlussstrich unter das Massenverfahren ziehen zu können, reicht diesmal jedenfalls keine Grundsatzeinigung. Es muss ein in allen Einzelheiten verbindlicher Vergleich geschlossen werden.

Wie teuer die Affäre wird, ist indes weiterhin unklar. Die Wolfsburger müssen sich mit diversen Parteien einigen. Neben dem US-Justizministerium, das im Auftrag des Umweltamts EPA geklagt hatte, pochen hunderte Dieselbesitzer, einige Autohändler und die US-Handelsbehörde FTC auf Wiedergutmachung. Als weitere Risikofaktoren kommen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften verschiedener Bundesstaaten dazu sowie strafrechtliche Untersuchungen der US-Justiz. 16,2 Milliarden Euro hat der Konzern aufgrund des Skandals zurückgelegt, was ihm den größten Verlust seiner Geschichte einbrockte. Laut einem Konzerninsider rechnet VW nicht mit weiteren Rückstellungen. Welche Strafe das US-Justizministerium fordert, lässt er aber offen.

Bis zum 21. Juni muss die Einigung stehen. Gelingt das nicht, droht doch ein Prozess. Für den von VW-Boss Matthias Müller jüngst angeordneten Strategiewechsel wäre das ein herber Rückschlag. (rebu, Reuters, 24.5.2016)