"Wenn ich mein Leben in Angst verbringen soll, lohnt es sich nicht", sagt Fuchs. "Ich wäre unglücklich."

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STANDARD: Sind Sie schon aufgewacht, inwiefern ist der Meistertitel mit Leicester City verarbeitet?

Fuchs: Als ich die Trophäe das erste Mal hochgehoben habe, ist ein Ruck durch mich gegangen. Der Traum ist wahr geworden. Nach dem letzten Spiel gegen Chelsea habe ich zum ersten Mal ein klein wenig realisiert, was diese Saison abgegangen ist. Ich brauche sicher noch, um zu erkennen, was wir vollbracht haben und welche Auswirkungen das auf jeden von uns individuell haben wird.

STANDARD: Fakt ist, dass Sie an einer der größten Sensationen im Fußball beteiligt gewesen sind. Geht eigentlich noch mehr?

Fuchs: Es geht immer mehr. Aber das ist schon eine schöne Geschichte, wie sie nur der Fußball schreiben kann.

STANDARD: Ist das Romantische an dieser Geschichte, dass Geld zwar hilfreich, aber doch nicht ausschlaggebend ist? Normal gewinnt der Kleine ein- oder zweimal gegen den Großen, aber keine Meisterschaft über 38 Runden. Spinnen wir weiter – wenn Leicester englischer Meister wird, könnte doch Österreich Europameister werden. Wäre die kleinere Sensation, oder?

Fuchs: Der Erfolg mit Leicester zeigt, dass alles möglich ist, wenn man an sich glaubt und konzentriert zu Werke geht. Wir haben dieselbe Philosophie wie beim Nationalteam entwickelt, denken von Spiel zu Spiel. Wenn man seine Aufgaben gut macht und sich von nichts ablenken lässt, hat man schon viel gewonnen.

STANDARD: Sind Leicester und das Nationalteam irgendwie vergleichbar, gibt es Parallelen?

Fuchs: Bei beiden Teams ist ein guter Mix aus routinierten und jungen, talentierten Spielern vorhanden. Wir haben schon in der Quali zur Euro unser Potenzial gut umgesetzt. Jetzt wollen wir auch bei der Euro weitermachen.

STANDARD: Im Team sind Sie Kapitän, wie würden Sie den Stellenwert beim Verein beschreiben?

Fuchs: Ich habe die vollste Rückendeckung von Ranieri, und unter den Spielern haben wir sowieso keine Ausreißer. Es ist ein tolles Miteinander. Klar, dass sich in einer Saison eine Hierarchie bildet. Mit meinem etwas fortgeschrittenen Alter zähle ich zu den Routiniers, den Leistungsträgern.

STANDARD: Gibt es Parallelen zwischen den Trainern Claudio Ranieri und Marcel Koller?

Fuchs: Beide Trainer haben die Philosophie, von Spiel zu Spiel zu denken und sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Egal, wo ich spiele, ist es immer das Gleiche und das tut gut. Dadurch ist man im Rhythmus.

STANDARD: Wie fühlen Sie sich körperlich? Laugt Erfolg aus?

Fuchs: Die letzten beiden Wochen waren sehr intensiv. Durch diese einzigartige Geschichte entstehen viele Verpflichtungen. Die ganze Welt will einen Teil von dir. Allein aus Österreich musste ich in den ersten beiden Tagen nach dem großen Erfolg 150 Interviewanfragen absagen. Ich bin dabei, Kräfte zu sammeln.

STANDARD: Sie waren 2008 als einer der wenigen bei der Heim-EM aktiv. Als Mattersburg-Spieler. Was haben Sie mitgenommen?

Fuchs: Allein das Gefühl, bei der Endrunde dabei zu sein, ist unbeschreiblich. Es herrscht eine gewisse Stimmung rund um so ein Turnier, die einen in den Bann zieht. Eine sehr tolle Erfahrung.

STANDARD: Die öffentliche Erwartung ist groß, ihr habt euch während der souveränen Qualifikation immer wieder kleingeredet. Das mag ein Selbstschutz gewesen sein. Fakt ist, dass ein Scheitern in der Gruppenphase ziemlich übel wäre. Schließlich liegen Ungarn und Island hinter Österreich.

Fuchs: Und trotzdem darf man keinen der angesprochenen Gegner unterschätzen. Bei so einem Turnier geht es rasch. Du hast drei Spiele, die schnell vorbei sind. Über das Weiterkommen wird in relativ kurzer Zeit entscheiden. Da kann ein Fehler viel auslösen. Jeder beim Turnier hat Stärken, auf die wir vorbereitet sein werden. Wir werden uns optimal auf die Gegner einstellen. Das können wir beeinflussen, das ist unser Anspruch.

STANDARD: Kommen wir zu den äußeren Umständen der EM in Frankreich. Es wird eine Hochsicherheitsveranstaltung, die Terrorangst geht um. Ihr seid die Schauspieler auf der wackligen Bühne. Stellt man sich ab und zu die Sinnfrage?

Fuchs: Nein. Weil wir uns nicht verstecken, sondern als Spieler und Fußballer gemeinsam mit allen anderen ein positives Zeichen setzen. Wenn ich mein Leben in Angst verbringen soll, lohnt es sich nicht. Da wäre ich unglücklich. Ich bin überzeugt, dass diese EM den höchsten Sicherheitsstandard aller Zeiten aufweisen wird und nichts passiert.

STANDARD: Wird der Fußball manchmal zu wichtig genommen?

Fuchs: Der Fußball verbindet und bringt Menschen aus aller Welt zusammen. Solange es positiv ist, kann man, finde ich, dem Fußball nicht genügend Wertigkeit zuschreiben. Allerdings ist und bleibt es ein Spiel, bei dem meistens einer verliert und einer gewinnt. Das ist zu akzeptieren. Leider gibt es zu viele Leute, die das als Grund nehmen, Aggressionen abzubauen. Solche Leute sind keine Fans, sondern Probleme.

STANDARD: Sollten sich Fußballer zu gesellschaftspolitischen Themen äußern?

Fuchs: Wenn man sich dazu äußern will, soll man es tun. Es darf aber keine Pflicht sein. Man wird mit Reaktionen rechnen müssen, und ich glaube, dies ist der Grund, warum sich so viele Sportler in dieser Richtung eher zurückhalten. Man will nicht zur Zielscheibe werden und unnötig Stress bekommen. Dazu ist der Job schon anstrengend genug.

STANDARD: Wann wäre die EM für Österreich ein Erfolg?

Fuchs: Für mich ist der Erfolg, die EM erreicht zu haben, schon genial. Aber klar sind wir ambitioniert, wollen nicht gleich nach zehn Tagen wieder heimfahren. Wir haben ein tolles Team, dem ich viel zutraue. Aber zu spekulieren liegt nicht in unserer Natur.

STANDARD: Drei Wünsche an die berühmte Fee?

Fuchs: Ein Haus am Meer, Gesundheit, unendlichen Sushi-Vorrat. (Christian Hackl, 25.5.2016)