Der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Gast im ORF.

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Zwei Tage lang hatte sich die Republik gefühlt wie eine Reisegruppe, die ohne Landeerlaubnis über dem Flughafen kreisen muss. Am Montagabend war dann alles vorbei. Verwirrt klammerten sich die einen an Spritzweingläser. Die anderen auch. Um zu feiern, eine Hälfte, um zu vergessen, die andere. Einer blieb ruhig. Kapitän Sascha trat am Abend nach seiner arschknappen Landung im "Report Spezial" auf.

Susanne Schnabl fragte, wie er die letzten Tage der Spannung, das "Herzschlagfinale", ausgehalten habe. Van der Bellen, wie der Kapitän bürgerlich heißt, antwortete mit beruhigender Stimme: "Hm. Das geht schon. Am Sonntag wartet man auf die Ergebnisse ... Zwischendurch sickert ja was durch …" Schon war man weg gedöst – in ein Land, wo sich am Ende des Regenbogens alle die Hand reichen. Schnabls Stimme schnitt sich in den Traum: Wie er der anderen Hälfte der Wähler, die nicht für ihn waren, ein Präsident sein wolle, fragte sie. Er werde alles tun, damit Gräben wieder zugeschüttet werden, erzählte Van der Bellen mit sonorem Ton weiter, denn einen "halben Bundespräsidenten, das gibt es nicht und … "

Noch eben "Ös-ter-reich, Ös-ter-reich" brüllende Mitbürger kippten schlaftrunken von ihren Bierbänken und glitten lächelnd in einen süßen, nie gekannten Schlaf hinüber. Dieser Mann weiß, wie man mit freundlich-ruhiger Stimme kalmiert, notfalls narkotisiert. Nach der langen anstrengenden Reise muss sich die Republik erst einmal ausschlafen. Morgen geht es dann mutig in die neuen Zeiten. Ob er auch ein "Tempomacher" sein könne, wollte Schnabl noch wissen. Da kam es besinnlich wie ein Rilke-Gedicht: "Ja, warum nicht ... Wir haben nicht ewig Zeit." (Colette M. Schmidt, 23. 5. 2016)