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Microsofts CEO Satya Nadella will eine univerellee Windows-Plattform etablieren. Die Vorarbeit dafür hat teilweise schon sein vielgescholtener Vorgänger Steve Ballmer geleistet.

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Wenn Microsoft im Sommer das "Anniversary Update" für Windows 10 ausspielt, vollzieht sich damit ein großer Meilenstein. Denn die Aktualisierung kommt für PCs, auf Smartphones und erstmals auch für die Xbox One. Damit wird auf allen größeren Plattformen erstmals im Kern das gleiche System laufen. Und auch in den IoT-Bereich, auf Server oder in den Bereich der Augmented Reality (Hololens) dringt das System vor.

Möglich macht es das Projekt "Onecore". Das bedeutet, egal auf welcher Hardware es läuft, überall nutzt Windows 10 die gleiche Basis. Der Weg dahin war allerdings lang, holprig und forderte einige Opfer, dokumentiert Ars Technica.

"Windows Everywhere"

Die Vision von Windows als System für alle Plattformen ist eigentlich nicht neu. Sie wurde 1992 zum ersten Mal formuliert, bekannt als das "Windows Everywhere"-Ideal. Damals existierte Windows allerdings nur auf Heimrechnern und in kleineren Unternehmen in Form des auf DOS aufsetzenden Windows 3.1. Im jungen Servermarkt gab es Netware und Unix, Letzteres kam auch auf Workstations für anspruchsvolle Arbeiten zum Einsatz.

Am 26. Juli 1993 erschien Windows NT 3.1, das erste Windows, das seinen DOS-Wurzeln entsagte. Das System war ausgelegt auf Arbeit im Netzwerk und erwies sich durch den Verzicht auf Abwärtskompatibilität als sehr stabil. Dafür standen allerdings zahlreiche Anwendungen nicht zur Verfügung und der Hardware-Support war durch den Verzicht auf DOS-basierte Treiber ebenfalls eingeschränkt. Der Beginn der NT-Reihe war kein Kassenschlager.

DOS-Ära klingt mit XP aus

Schon damals plante Microsoft eigentlich, Windows irgendwann komplett auf NT umzurüsten. Es sollte jedoch bis zur Veröffentlichung von Windows XP im Jahr 2001 dauern, ehe dieser Schritt vollzogen wurde. Bis dahin erschienen auch noch Windows 95, 98 und ME als späte, teils geliebte und teils verhasste Erben von DOS.

Die NT-Reihe punktete zwar mit Stabilität und Netzwerkfeatures, litt aber an hohen Hardwareanforderungen, was wesentlich teurere Rechner für Heimanwender erfordert hätte. Windows 95 bediente also dieses Segment, während die folgenden NT-Ausgaben den Firmenmarkt bedienten. Für den langsam aufkeimenden Markt an integrierten Rechnern und Handheldgeräten fehlte allerdings noch eine Lösung.

System-Wirrwarr

Also schuf Microsoft Windows CE, effektiv eine Abspaltung von Windows 2000. Dieses kam mit einer abgespeckten Win32-Programmierschnittstelle und einem viel laxeren Speichermanagement, um auch auf schwacher Hardware laufen zu können. Die erste Erfüllung der "Windows Everywhere"-Vorgabe war ein loser Verbund an Systemen, die miteinander nicht all zu viel gemeinsam hatten.

Für Microsoft hatte diese Aufspaltung auf Dauer problematische Folgen. Windows XP litt etwa trotz Kompatibilitätsmodus zuerst darunter, dass viele Anwendungen für Windows 95 und 98 darauf nicht laufen wollten, da das System ihnen viel weniger Rechte hinsichtlich der Nutzung von Gerätetreibern oder des Zugriffs auf die Festplatte einräumte. Der Aufstand ebbte allerdings ab, als Software-Entwickler und Hardware-Hersteller ihre Programme und Treiber aktualisierten.

Windows 2000 für die Xbox

Zur Jahrtausendwende begann der Konsolenmarkt aufzublühen und Microsoft stieg 2002 mit der ersten Xbox ins Rennen ein. Diese nutzte eine Abspaltung des NT-basierten Windows 2000 als Betriebssystems. Das bescherte dem Gerät eine stabile Software-Basis, allerdings ohne Win32-Kompatibilität. Die Xbox 360 erhielt eine Weiterentwicklung dieses Systems.

Gleichzeitig begann Microsoft spät, aber doch, zu dämmern, dass Windows CE – auch in Form von Windows Mobile – sich auf Handheld-Geräten, insbesondere den in den Markt drängenden Smartphones, nicht durchsetzen würde. Statt einem Windows 95-artigen Interface und Stifteingabe bevorzugten die Nutzer die Bedienung mit Fingern auf Apples iOS und Googles Android.

Windows Phone 7 beendet CE-Ära

Plötzlich hatte man es eilig, eine eigene Plattform in Stellung zu bringen. 2010 preschte man mit Windows Phone 7 vor und schloss eine Partnerschaft mit dem gefallenen Handyriesen Nokia. Mit der Folgeversion, Windows Phone 8, warf man dieses Konzept über Bord und baute statt dessen auf dem Grundgerüst von Windows 8 auf. Eine Folge davon: Kein einziges Windows Phone 7-Smartphone erhielt ein Update, stattdessen wurden einzelne Funktionen nachgereicht.

Auf der Xbox 360 rüstete Microsoft derweil auf ein App-Konzept auf Basis von Silverlight um. 2011 erhielt die Konsole eine Aktualisierung, die ihr unter anderem einen Youtube-Client bescherte. Später gesellte sich ein Browser hinzu, der wiederum eine Abspaltung des Internet Explorer ist. Das erhöhte jedoch den Aufwand für die Entwickler, weil Neuerungen und Updates zur Schließung von Schwachstellen erst mühsam portiert werden mussten. Ähnliches galt auch für Windows CE bzw. Windows Phone 7, das ebenfalls eine eigene Variante von Internet Explorer und Schnittstellen besaß.

"MinWin" als Vorläufer

Die Gesamtsituation wurde auch dadurch erschwert, dass für jedes System eine eigene Abteilung zuständig war, die jeweils ihr eigenes Ding machte. Die Windows-Hauptabteilung hatte allerdings ein Projet namens "MinWin" ins Leben gerufen, mit dem das System entschlackt und modularisiert werden sollte. Ein erstes Ergebnis wurde bereits in Windows Vista (2006) ersichtlich. Man hatte tiefere Ebenen des Systems unabhängig von darüber liegenden Schichten gemacht und damit die Vorarbeit zum heutigen OneCore geleistet.

Auch Windows RT entstand auf dieser Basis. Das für ARM-Chips entwickelte System scheiterte allerdings daran, dass eben keine normalen Windows-Programme darauf liefen, was die Kunden verwirrte, während gleichzeitig Entwickler kaum Interesse an der Plattform zeigten.

Generalprobe Windows 8

Derweilen war auch das Xbox-Team zur Einsicht gelangt, dass die aktuelle, immer noch im Kern auf Windows 2000 fußende Plattform nicht zukunftsfähig sei. Also rüstete man mit der Xbox One auf die Kerntechnologien der aktuellen Desktop-Windows-Version 8.1 um. Schon vor dem Launch von Windows 8.1 hatte der damalige CEO Steve Ballmer die Betriebssystem-Entwicklung in eine einzige Abteilung gebündelt. Eine Änderung, von der das Unternehmen bis heute profitiert.

Pionierarbeit

Die logische Fortführung ist nun die auf OneCore aufbauende Umsetzung von Windows 10 für alle Plattformen. Mehrere "Windows-Familien" pflastern diesen Weg: Windows 9X/ME, Windows CE und seine Nachfolger für Smartphones, die Xbox-Auskopplung von Windows 2000 und auch der ungeliebte Sonderling Windows RT.

Mit dieser Vereinigung hat Microsoft allerdings etwas bewerkstelligt, was seinen großen Konkurrenten noch bevorstehen könnte. Google pflegt etwa Chrome OS für Notebooks sowie Android für mobile Geräte und einige andere Plattformen. Apple installiert auf seinen PCs und Laptops OS X und setzt bei Mobilgeräten auf iOS. Bei beiden zeichnet sich allerdings langsam ein Zusammenwachsen ab. (gpi, 04.06.2016)