Wahlkampfmanager Lothar Lockl warf sich am Sonntag vorsorglich in Siegerpose: Van der Bellen ist es gelungen, viele Stimmen außerhalb des grünen Lagers zu fischen.

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Es wurde wieder "arschknapp": Zehn Jahre nach dem vulgär-liebenswürdigen Bonmot Alexander Van der Bellens hat sich die Geschichte wiederholt. Wie beim Match um Platz drei bei der Nationalratswahl 2006 war die FPÖ der Gegner – und der erste Applaus der Grünen bei ihrer Wahlparty klang so, als hätten sie genauso wie damals das Rennen gemacht.

Doch der Jubel war eher Mutmacher. Denn ein Sieger stand bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe am Sonntagabend nicht fest. In der Hochrechnung, die auch die erst am Montag ausgezählten Briefwahlstimmen umfasst, lagen die Rivalen gleichauf.

Klar war aber: Van der Bellen legte im Vergleich zum ersten Wahlgang viel stärker zu als Hofer, konnte seinen Stimmenanteil von 21 Prozent mehr als verdoppeln. "Da wurden Türen geöffnet", glaubt die Europaabgeordnete Ulrike Lunacek: Van-der-Bellen-Wähler würden sich auch in Zukunft überlegen, Grün zu wählen.

In den Städten ist das längst so, da gewann Van der Bellen massiv. In Linz etwa gab es im ersten Wahlgang noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen, nun liegt der De-facto-Grüne mit 60 Prozent weit voran. In Salzburg, St. Pölten und sogar Klagenfurt hat VdB den einst erstplatzierten Hofer überholt, er gewann nach Stand vom Sonntag in acht Landeshauptstädten; und auch die neunte – Eisenstadt – könnte inklusive Briefwahlstimmen noch an ihn fallen. Durch die grüne Brille analysiert: Trotz Arbeitslosigkeit und Flüchtlingen ist die Mehrheit in den urbanen Zentren, wo ja gerade die sozialen Brennpunkte liegen, nicht der Versuchung des Rechtspopulismus erlegen.

Dieser Stärke steht eine chronische Schwäche auf dem Land gegenüber. Doch immerhin fraßen sich bei der Stichwahl grüne Flecken in die im ersten Durchgang außerhalb der Städte fast komplett blaue Österreichkarte – besonders auffällig westlich von Innsbruck und in Oberösterreich.

Grüne auf dem Feuerwehrfest

Das Stadt-Land-Gefälle spiegelt die Typologie der Grün-Wähler wider: Eher junge und gebildete Menschen ziehen häufig in die Städte. Auf dem Land hängt den Grünen das Image der Bürgerschreckpartei nach, ihre Organisationsdichte kann mit jener der FPÖ nicht mithalten. Derzeit stellt die Ökopartei in Österreich keinen einzigen Bürgermeister. Ein Rezept von Vizechef Werner Kogler: das berühmte Feuerwehrfest nicht meiden, sondern hingehen.

Wie sehr die Grünen versuchten, dieses Manko zu kompensieren, zeigten etwa die Plakate. Van der Bellen posierte vor Tiroler Bergkulisse mit Hund und Begriffen wie Heimat auf den Lippen. Worauf er noch setzte: Warnungen vor einem blau gefärbten Österreich. An Empfehlungen honoriger Persönlichkeiten aus dem bürgerlich-konservativen Eck, um der Pose des überparteilichen Staatsmannes Glaubwürdigkeit zu verleihen, fehlte es nicht. Vier Ex-ÖVP-Chefs plädierten ebenso für Van der Bellen wie die einstige Rivalin Irmgard Griss.

"Das trägt einen schon", bedankte sich VdB bei den Unterstützern abseits des grünen Lagers – zu Recht. Bei Ex-Wählern von Griss, SPÖ und ÖVP schnitt er viel besser ab als Hofer, und so wurde auch am Wahlabend mehrfärbig gefeiert. Die Party im Wiener Palais Auersperg ließen sich unter anderen SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, Stadträtin Sonja Wehsely und Ex-ÖVP-Mandatar Ferry Maier nicht entgehen. (red, 23.5.2016)