Das Leben unter einer rechtspopulistischen Regierung lässt sich seit 2010 in Ungarn fast wie im Versuchslabor beobachten. Regierungschef Viktor Orbán entscheidet im Prinzip alles: wer was wird, wer welches Geld bekommt. Servile Loyalität wird belohnt, Abweichen von der Linie bestraft. Staatspräsident János Áder, bei weitem kein souveräner Kopf im höchsten Amt, hat sich eine Wiederwahl 2017 wohl verscherzt, weil er Nationalbank-Gouverneur György Matolcsy in die Suppe spuckte, der undurchsichtige Zinsausschüttungen aus Stiftungen mit öffentlichen Geldern verantwortet.

Rechter Populismus – das sieht man in Ungarn – bedeutet: große Worte, die von Volk und Nation dröhnen; Bereicherung der Führungsfiguren, Insider, Adabeis. Er bedeutet gezielte Aushöhlung und drohende Liquidierung der Demokratie und ihrer Institutionen. Kritische Stimmen in Kultur und Wissenschaft werden diffamiert und finanziell ausgehungert. Stattdessen wird Geld in pseudowissenschaftliche Paralleluniversen geschaufelt. So gibt es etwa eine neue Stätte zur sanften Rehabilitierung des Horthy-Systems mit dem Orwell'schen Namen "Veritas-Institut".

In Ungarn regieren Obrigkeitsdenken und Entsolidarisierung. Die Jungen wandern aus. Unmerklich dörrt die Gesellschaft aus. Politische Alternativen – die Essenz der Demokratie – sterben ab. Niemand in Ungarn kann sich derzeit vorstellen, was nach Viktor Orbán kommen soll. (Gregor Mayer, 23.5.2016)