Bild nicht mehr verfügbar.

In den Bildungseinrichtungen, angefangen vom Kindergarten bis hin zu Höheren Bildenden Schulen wird immer wieder diskutiert, ob Deutschgebot und "andere" Erstsprachenverbot.

Foto: REUTERS / BOBBY YIP

Christine hat ein angenehmes Lachen trotz ihres ernsten Blickes. Sie scheint immer zu beobachten und wenn sie sich äußert, dann sind ihre Worte bemessen, es ist nichts zu viel. Christine ist Kindergartenpädagogin, ich habe sie in einem der Fortbildungsworkshops, die ich abhalte, kennengelernt. Sie und ihre natürliche Haltung, ihre Spontanität und ihr Kommittent mit den Kindern haben mich beeindruckt. Christine trägt eine lange, weite, schwarze Abaya und ein Kopftuch in Türkis. Die Kleidung bedeckt alles bis auf Hände und Gesicht, denn Christine ist zum Islam konvertiert. Sie ist Wienerin und hat zwei Kinder im Schulalter.

Ein Kind in zwei Sprachen Zuhause

Sie erzählt mir: "Ich spreche mittlerweile gar nicht mal so schlecht Türkisch. Mit meinen eignen Kinder spreche ich immer Deutsch. Türkisch haben sie von meinem Mann gelernt. Die Kinder in meiner Kindergartengruppe, wissen, dass ich Türkisch verstehe. Sie kommen in der Früh zu mir und fangen an zu erzählen, was sie am Vortrag mit den Eltern und Geschwistern erlebt haben, oder sonst etwas, das ihnen auf dem Herzen liegt. Viele unserer Kinder sind zweisprachig. Diese Kinder sprechen mich morgens fast immer auf Türkisch an. Ich blocke nichts ab, ich nehme es an, sie wissen ja, dass ich sie verstehe. Ich spreche ihnen gut zu, es ist wichtig, dass sie sich bestätigt und wohl fühlen, wenn sie im Kindergarten ankommen. Dann beginnt der Kindergartentag und ich wechsle auf Deutsch. Sie tun es auch. Wenn nicht, erkläre ich, dass es Kinder in der Gruppe gibt, die sie nicht verstehen und, dass wir nun Deutsch sprechen werden. Und sie Switchen mühelos. Es ist selbstverständlich für die Kinder. Meist verläuft der Rest des Tages auf Deutsch."

Sprache und Vertrauen

Ganz intuitiv handelt Christine und mit Hausverstand, der sich bewährt. Die Kinder spüren keine Ablehnung gegenüber ihrer Familiensprache, der Sprachwechsel passiert in einer natürlichen Situation. Und die anderen Kinder fühlen sich nicht ausgeschlossen, bekommen aber die nichtdeutschen Sprachen, die ihre FreundInnen sprechen mit. In diesem Beispiel spielt die Tatsache, dass eine Sprache Vertrauen transportiert eine große Rolle. Sprache transportiert so viele Gefühle, gerade bei Kleinkindern ist das nonverbale in der Sprache, das was zwischen den Worten kommuniziert wir, noch mehr ausschlaggebend als bei Erwachsenen. Es entsteht ein sanfter Übergang von der familiären Umgebenen in den Kindergartenalltag über die Sprache. Eigentlich wünschenswert.

Christine berichtet mir von einer Situation: "Ich höre wie sich zwei ältere Kinder auf Deutsch unterhalten. Sie sprechen über ihre Sprachen, was sie neben Deutsch noch können. Dann beginnen sie sich gegenseitig Worte von der einen und von der anderen Familiensprache beizubringen. Sie haben offensichtlich Spaß dabei. Es ist nur ein Spiel aber es zeigt mir, dass wir etwas ganz richtiggemacht haben."

Die Unsicherheit

Trotzdem wird in den Bildungseinrichtungen, angefangen vom Kindergarten bis hin zu Höheren Bildenden Schulen diskutiert, ob Deutschgebot und "andere" Erstsprachenverbot. Als ob es kein sowohl als auch gäbe. Das Sowohlalsauch lebt Christine wunderbar vor, und nicht nur sie, an etlichen Volksschulen in Wien werden erfolgreich Projekte umgesetzt, die zeigen, dass man Kinder in ihrer ganzen sprachlichen Kapazität wahrnehmen kann. Im Kindergarten ist es wie in einem internationalen Unternehmen, man braucht eine gemeinsame Arbeits- und Kommunikationssprache. Es ist also sinnvoll, dass alle Deutsch sprechen. Gebote und Verbote sind hierbei nicht förderlich. Es sollte eher eine gemeinsame, für die Kinder nachvollziehbare und von ihnen mitgetragene Haltung geben. Es geht darum, dass wir uns alle verstehen und sich niemand ausgeschlossen fühlt. Ganz wichtig dabei ist, den Kindern die Möglichkeit einzuräumen, auch in ihren weiteren Erstsprachen zu kommunizieren und dafür Raum zu geben. Es wird zum Signal der Anerkennung und Wertschätzung gegenüber den vielen Sprachen und Kulturen, die diese Kinder in sich vereinen.

Das schlaue Kleinkind

Was das sprachliche Einschätzungsvermögen von Kleinkindern angeht, werden diese oft unterschätzt. Sie sind schon sehr früh in der Lage abzuwägen wer in ihrem engeren Umfeld, welche Sprache spricht und ebenso auf welchem Niveau. Sie bekommen auch das gesellschaftliche Prestige ihrer Sprachen eher mit als uns lieb ist. Deshalb gilt, je früher desto besser mit einer offenen Haltung zu signalisieren, dass sie ernst genommen werde, mit all ihren Fähigkeiten. (Zwetelina Ortega, 20.5.2016)